1945
Bestimmend für dieses Jahr ist das Ende des 2. Weltkrieges, das zugleich das Ende der Herrschaft der Nationalsozialisten bedeutet. In Schleswig-Holstein endet der Krieg am 5. Mai, für Deutschland insgesamt am 8. Mai, als die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet wird.
Für viele Deutsche bedeutet dies den Zusammenbruch ihrer bisherigen Lebens- und Glaubenswelt, andere - und dazu gehören viele, die vor 1933 SPD-Mitglieder waren - empfinden die neue Lage als Befreiung, trotz der Besetzung des Landes durch britische Truppen.
In den nächsten Monaten werden die unfassbaren Verbrechen öffentlich, die während der Nazizeit begangen wurden. Es ist keine Entschuldigung, aber vielleicht nachvollziehbar, dass auch viele, die daran nicht beteiligt waren, von diesen Dingen zunächst nichts wissen wollen, sondern sich der Wiederherstellung einer Umwelt widmen, in der ein Leben im umfassenden Sinn wieder möglich ist.
Der Wiederaufbau des Landes birgt riesige Probleme. Die Erkenntnis, dass die Deutschen mit Kriegesende nicht automatisch als vertrauenswürdige Partner der Sieger akzeptiert werden, sondern die Besatzung Konflikte und weitere Schäden wie etwa die Demontagen bringt, ist auch und gerade für diejenigen schmerzlich, die ernsthaft am Aufbau eines demokratischen Staatswesens mitwirken wollen. Immerhin wird am 14. August, ein Vierteljahr nach Kriegsende, in der britischen Besatzungszone die SPD als erste Partei wieder zugelassen. → Hauptartikel: Wiedergründung der SPD Schleswig-Holstein
Januar
- Anni Krahnstöver und ihre Familie werden aus Oberschlesien nach Mecklenburg zwangsevakuiert.
- Vor allem in Kiel treffen sich Sozialdemokraten in geheimen Stubenzirkeln, um für die Zeit nach Nazis und Krieg zu planen.
Februar
- 18. Februar - Nanny Kurfürst stirbt im Landeskrankenhaus Schleswig nach einer Gehirnoperation. Nur vier Wochen später stirbt auch ihr Mann Hermann Kurfürst an einer akuten Erkrankung.
März
- Elisabeth Fritz schließt ihr Landwirtschaftsstudium in Süddeutschland mit dem Diplom ab.
- 28. März - Gyde Köster kommt in Flensburg zur Welt.
April
- 30. April - Britische Truppen erreichen Schleswig-Holstein. Die Befreiung des Landes von den Nazis beginnt.
Mai
- 2. Mai - Die letzte Ausgabe der Lübecker Zeitung erscheint.
- 3. Mai - In der Nacht zum 3. Mai findet der letzte große Luftangriff auf Kiel statt. Schwere Treffer zerstören unter anderem den Mittelbau des Rathauses. Die letzten Verbände der Wehrmacht vernichten Kriegsmaterial und ziehen sich kampflos nach Norden zurück.
- 3. Mai - Beim Luftangriff auf die "Cap Arcona" in der Neustädter Bucht sterben mehr als 6.000 Häftlinge des KZ Neuengamme, die nach dessen Auflösung an Bord gebracht worden sind, unter ihnen Richard Vosgerau und die bei der Aktion Gitter verhafteten Max Richter und Willy Verdieck.
- 3. Mai - Neugründung des Ortsvereins Schleswig unter Vorsitz von Hermann Clausen.
- 4. Mai - In Elmshorn gründet sich unter maßgeblicher Mitwirkung von Heinrich Hauschildt und Erich Arp ein Antifaschistischer Gewerkschaftsausschuss aus Sozialdemokraten, Gewerkschaftern und Kommunisten.
- 4. Mai - Kiel wird vom NS-Oberbürgermeister kampflos an die Briten übergeben. Alliierte Truppen befreien das Arbeitserziehungslager Nordmark in Kiel-Russee.
- 5. Mai - Morgens um 8:00 Uhr wird offiziell verkündet: "Der Krieg endet in Schleswig-Holstein." Ein Komitee aus ehemaligen SPD-Mitgliedern und Gewerkschaftsfunktionären besetzt das Kieler Gewerkschaftshaus.
- 6. Mai - Der Antifaschistische Gewerkschaftsausschuss in Elmshorn setzt den Nazi-Bürgermeister ab und macht Heinrich Hauschildt zu seinem Nachfolger.
- 7. Mai - Kiel wird von den Briten besetzt.
- 8. Mai - Tag der Befreiung - Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht und aller Teilstreitkräfte.
- 11. Mai - Jochen Steffen und Ilse Zimmermann heiraten.
- 13. Mai - Die britische Besatzungsmacht in Elmshorn löst den Antifaschistischen Gewerkschaftsausschuss auf, setzt Heinrich Hauschildt als Bürgermeister ab und klagt Erich Arp wegen "Amtsanmaßung und unerlaubten Waffenbesitzes" an.
- 14. Mai - Der NS-Oberbürgermeister von Kiel wird verhaftet.
- 15. Mai - Dr. Max Emcke wird von der Britischen Militärregierung als Oberbürgermeister in Kiel eingesetzt.
Juni
- Max Emcke wird zum kommissarischen Oberbürgermeister von Kiel ernannt; er tritt viele Jahre später in die SPD ein.
- 8. Juni - Gisela Schlüter wird in Leipzig geboren.
- 26. Juni - Die Vereinten Nationen werden gegründet.
Juli
- Dr. Otto Tschadek wird zum Bürgermeister von Kiel ernannt.
- 27. Juli - Emil Heinrich und Johannes Baasch vom OV Russee werden zu Mitgliedern des Gemeinderates von Russee ernannt.
August
- Im Ortsverein Eckernförde gründet sich eine Frauengruppe.
- In Flensburg gründet sich ein Kreisverein.
- Karl Ratz wird Geschäftsführer der ehemaligen Druckerei der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung. Später erhält er von der britischen Militärregierung auch die Lizenz zur Herausgabe der VZ.
- 6. August - Die britische Militärregierung kündigt an, das Verbot der politischen Betätigung zu lockern. Tätigkeiten, die den Parteiaufbau vorbereiteten wurden geduldet.
- 14. August - Zulassung der SPD in der britischen Besatzungszone und Vorbereitung der Wiedergründung der Partei.
- 17. August - Eine Gruppe von Kieler Sozialdemokraten setzt einen provisorischen Bezirksvorstand für Schleswig-Holstein unter Vorsitz von Theodor Werner ein; Stellvertreter werden Wilhelm Kuklinski und Karl Ratz. In den nächsten Wochen wird der Vorstand kontinuierlich erweitert.
- 19. August - In Ahrensburg treffen sich Sozialdemokraten, um den Ortsverein neu aufzubauen.
- 27. August - Theodor Werner und Wilhelm Kuklinski treten erstmals als gleichberechtigte Vorsitzende des provisorischen Bezirksvorstandes auf; dieser Zuschnitt des Vorsitzes ist spätestens am Vortag vom Vorstand beschlossen worden. In den ersten "Mitteilungen über Organisationsfragen" empfahl der vorläufige Bezirksvorstand Sozialdemokraten, die Ortsvereine gründen wollten, entsprechende Anträge bei der Militärregierung zu stellen.[1]
- 31. August-4. September - Es findet eine "Kieler Woche" ausschließlich für die britischen Besatzungstruppen statt.
September
- 1. September - In Preetz treffen sich Sozialdemokraten, um über die Neugründung des Ortsvereins zu beraten.[2]
- 15. September - Mit der Verordnung Nr. 12 erlaubt die Britische Militärregierung die Bildung von politischen Parteien - Kreisverbände dürfen jetzt gegründet werden. Mit der Verordnung Nr. 10 werden politische Veranstaltungen erlaubt.
Ende September berichtet der Bezirksvorstand an Kurt Schumacher, dass er mit 80 Ortsvereinen im Kontakt stehe.[3]
Oktober
- 4. Oktober - Der Kreisverein Kiel gründet sich neu. Karl Ratz wird Vorsitzender, Hans Schröder Sekretär; auch Bruno Verdieck beteiligt sich an der Wiedergründung.
- 5. Oktober - Für den 5., 6. und 7. Oktober hatte Kurt Schumacher die erste Reichskonferenz der SPD nach dem Ende der Nazi-Diktatur angekündigt. Die Militärregierung entzog ihr aber die Genehmigung, so dass nur eine "private Besprechung" stattfinden konnte. Für Kurt Schumacher war das wichtigste Ergebnis, dass man sich gegen eine Einheitspartei mit den Kommunisten aussprach.[4]
- 15. Oktober - Annemarie Renger wird Sekretärin des Parteivorsitzenden Kurt Schumacher.
- 24. Oktober - Mittlerweile wurden 109 Ortsvereine gegründet - ungefähr die Hälfte der Zahl von vor 1933.[5]
- 27. Oktober - Kurt Schumacher spricht vor 2000 Zuhörern in Kiel[6]
- 27./28. Oktober - Auf der inoffiziellen, weil von der Militärregierung nicht genehmigten Bezirkskonferenz wird der provisorische Bezirksvorstand mit Theodor Werner und Wilhelm Kuklinski als gleichberechtigten Vorsitzenden bestätigt; er bleibt bis zum ersten offiziellen Bezirksparteitag im Amt.
November
- 1. November - Heinrich Fischer wird 1. Bezirkssekretär (=Landesgeschäftsführer) der SPD Schleswig-Holstein.
- 4. November - Der Hamburger Sozialdemokrat Willi Elsner redet vor 875 Teilnehmern in Elmshorn[7]
- 18. November - Der Kreisverein Neumünster wird neu gegründet.
- 29. November - In Eckernförde konstituiert sich ein "Vorläufiger Ratsausschuss" als beratende Körperschaft, Peter Matthiesen sen. wird zum Stadtrat gewählt.
Dezember
- Wilhelm Käber gehört der von der britischen Besatzungsbehörde eingesetzten Gemeindevertretung im Lockstedter Lager an.
- 1. Dezember - Kurt Pohle erneuert seine Parteimitgliedschaft.
- 6. Dezember - Die erste, ernannte, Kieler Stadtverordnetenversammlung nach dem Krieg konstituiert sich. Ihr gehören u. a. Bruno Diekmann, Frieda Hackhe-Döbel, Andreas Gayk, Toni Jensen und Gertrud Völcker an.
- 10. Dezember - Otto Tschadek redet auf einer Kundgebung in Schleswig[8]
- 11. Dezember - Oberstleutnant Annan von der Kontrollkommission für Deutschland erklärt im Kieler Gewerkschaftshaus 200 eingeladene Persönlichkeiten Schleswig-Holsteins - Parteiführer, Landräten, Bürgermeistern die Absichten der Militärregierung für die Aktivierung des politischen Lebens der Deutschen.
- 27. Dezember - Walther Lehmkuhl wird zum Oberstadtdirektor Kiels gewählt.
- 28. Dezember - Heinrich Grönwoldt, Hans Ladewig und Paul Lembke vom OV Russee werden zu Mitgliedern des Russeer Gemeinderates ernannt.
Nicht datierte Ereignisse
- Dr. Lauritz Lauritzen wird noch von den Nazis in den schleswig-holsteinischen Staatsdienst eingestellt.
- Walter Damm wird Parteisekretär für die Kreise Norder- und Süder-Dithmarschen, Steinburg und Pinneberg und baut dort die SPD wieder auf.
- Luise Klinsmann erneuert ihre Parteimitgliedschaft.
- Walther Lehmkuhl holt Karl Schiller in die SPD.
- Bernd Michels wird geboren.
- Wilhelm Schweizer verlässt Kiel und kehrt zurück nach Neuwied/Rhein.
Quellen
- ↑ Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 56
- ↑ Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 56
- ↑ Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 56
- ↑ Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 75
- ↑ Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 56
- ↑ Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998) S. 76f
- ↑ Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998) S. 76f
- ↑ Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998) S. 76f