Ortsverein Russee

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Ortsverein Russee war eine Gliederung im Kreisverein Bordesholm, ab 1932 im Kreisverband Rendsburg; seit der Eingemeindung von Russee im Jahr 1970 gehörte er zum Kreisverband Kiel. Er bestand von mindestens 1914 bis zum 18. April 2007, als er sich mit dem Ortsverein Hammer zum Ortsverein Russee-Hammer zusammenschloss.

Geschichte

(Nach der Chronik von Robert Bartels)

Den ersten schriftlichen Nachweis, dass in der Gemeinde Russee ein SPD-Ortsverein existierte, liefert das Mitgliedsbuch von Heinrich Grönwoldt aus dem Jahr 1914.[1] Der Ortsverein hatte zu dieser Zeit neun Mitglieder.

In der Kommunalwahl am 2. März 1919 erhielt die SPD Russee erstmals die Mehrheit im Gemeinderat. Otto Rehder wurde Gemeindevorsteher (=Bürgermeister) (bis 1929) und Amtsvorsteher des Amtes Kronshagen, zu dem Russee gehörte, (bis 1930).

Die Kommunalwahl am 4. Mai 1924 gewann die SPD nach einer unentschiedenen Wahl per Losentscheid.

Am 30. Mai 1933 nahmen Heinrich Grönwoldt und Genosse Bargholz an der letzten Gemeinderatssitzung vor dem reichsweiten Verbot der SPD durch die Nationalsozialisten teil.

Erst zwölf Jahre später war die NS-Herrschaft besiegt. Am 17. Juli 1945 tagte ein neuer, von der britischen Militärregierung ernannter Gemeinderat. Ihm gehörte für die SPD Hans Ladewig an, ab 27. Juli auch Johannes Baasch und Emil Heinrich. In der ersten Sitzung wurde ein Bürgermeister gewählt.

Am 28. Dezember 1945 wurden Heinrich Grönwoldt, Hans Ladewig und Paul Lembke zu Mitgliedern des (vermutlich zweiten) Gemeinderates ernannt.

Die erste Kommunalwahl fand am 5. September 1946 statt. Für die SPD zogen Johannes Baasch, Johannes Brocks, Heinrich Grönwoldt, Emil Heinrich und Willy Staak in den Russeer Gemeinderat ein. Sie unterstützten die Wahl von Harry Dotzer zum Bürgermeister.

Dieser Erfolg blieb für lange Zeit der letzte. In den Kommunalwahlen von 1948 bis 1970 konnte die SPD nie die Mehrheit im Gemeinderat gewinnen. Sie stellte daher in der Regel den stellvertretenden Bürgermeister: 1948 war es Arnold Schröder, 1958 Heinz Füllgraf, 1960 Walter Hübner und 1964 Max Nörenberg.

Die Ära Nörenberg - Gerlach

Max Nörenberg

OV-Vorsitzender Max Nörenberg empfing Otto Gerlach, der 1964 die Leitung der Volksschule im Ort übernahm, mit offenen Armen und band ihn vom ersten Tag an in die Parteiarbeit ein. 1966 überließ er ihm auch den Vorsitz und beschränkte sich, da er beruflich sehr stark eingespannt war, auf die Stellvertretung.

Otto Gerlach drängte an die Öffentlichkeit, daher fanden Mitgliederversammlungen fortan in der Ihlkate oder im Rendsburger Hof statt. Zur Parteiarbeit der Ortsvereine im Kreisverband Rendsburg gehörte auch ein Frühschoppen, der alle vier Wochen sonntags bei einem von ihnen stattfand. Dazu waren jeweils ReferentInnen eingeladen, die zu aktuellen Themen sprachen. Anschließend wurde diskutiert. Otto Gerlach und Max Nörenberg waren regelmäßige Besucher und auch Gastgeber dieser Veranstaltungsreihe. Aus ihr gingen große schleswig-holsteinische Politiker hervor, etwa Heide Simonis, damals Ortsverein Westensee, Kurt Hamer aus Nortorf oder Hans von Essen aus Bordesholm.

In der politischen Alltagsarbeit ergänzten sich die beiden Russeer Köpfe hervorragend. Gemeinsam prägten sie das Bild der Partei im Ort.

Zur Kommunalwahl 1966 trat die SPD Russee mit einem neuen Konzept an: Die Auswahl der Kandidaten erfolgte ausschließlich nach fachlichen Gesichtspunkten, die Dauer der Parteizugehörigkeit war zweitrangig. Russee hatte damals drei Wahlbezirke. Im Bezirk 1 (Dorfstraße mit Pommernkamp bis Redderkamp) kandidierten Otto Gerlach, Edmund Wenzel und Hans Ladewig. Der Bezirk 2 (Bahnhofstraße, Waldweg bis Am Blöcken) wurde von Max Nörenberg, Karl-Heinz Boelck und Emil Grabe vertreten. Im Bezirk 3 (Ihlkatenweg bis Taubenkrug) kandidierten Helmut Kirchner, Horst Lübke und Paul Matthiesen.

Otto Gerlach und Paul Matthiesen waren für Schulfragen zuständig, Max Nörenberg war Finanzexperte, Karl-Heinz Boelck und Horst Lübke galten als Experten in Wohnungsfragen; Helmut Kirchner (Ortsvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt), Edmund Wenzel und Hans Ladewig kümmerten sich um Sport- und Jugendfragen. Die SPD verlor die Wahl nur knapp und erzielte mit acht Sitzen ein achtbares Ergebnis. Neun Sitze gingen an die Dorfgemeinschaft Russee (DGR).

In den folgenden vier Jahren ging es in der Gemeindevertretung hoch her. Immer wieder griff Otto Gerlach scharf an. Mit Hilfe des Kommentars zur Gemeindeordnung von Galette-Laux konnte er immer wieder Verfahrensfehler von Bürgermeister Heinrich Grömm aufdecken. Dies ging soweit, daß Sitzungen platzten. Auch mit dem DGR-Fraktionschef Karl Diekelmann lieferte er sich scharfe Rededuelle. Anschließend ergriff dann Max Nörenberg das Wort. Wenn er sprach, waren alle ganz still. Seine unbestrittene Kompetenz und seine persönliche Ausstrahlung machten ihn zu einer Figur, die über dem "Parteiengezänk" stand.

Das wichtigste Thema dieser Jahre war immer wieder die Eingemeindung Russees nach Kiel. Die Russeer SPD war dafür und machte sich damit landesweit bei vielen GenossInnen unbeliebt. Aber es war logisch und konsequent, sich für die Eingemeindung auszusprechen, da Russee bereits in vielen Dingen am Nabel der Großstadt hing. Schulfragen, Verkehrsangelegenheiten, Gas-, Wasser- und Stromversorgung wurden bereits von Kiel aus geregelt. Um bei diesen Dingen mitzureden, mußte man also Zugang zu den Kieler Ausschüssen und zur Ratsversammlung bekommen.

Otto Gerlach

Auch brachte die am 26. April 1970 vollzogene Eingemeindung einige Vorteile für den neuen Stadtteil. Kiel verpflichtete sich vertraglich, 400.000,- DM für den Bau des Sportplatzes für den TSV Russee bereitzustellen sowie die Finanzierung der Vollkanalisation und den Bau des Kindergartens bei der Kirche zu übernehmen. Die SPD Russee wechselte als Ortsverein Kiel-Russee in den Kreisverband Kiel.

Nach der Eingemeindung wurde Max Nörenberg Vorsitzender des neu gebildeten Ortsbeirats Russee; Otto Gerlach zog in die Kieler Ratsversammlung ein. Dort vertrat er Russee mit kurzen Unterbrechungen bis 1990. Er war in verschiedenen Ausschüssen tätig, wobei die Arbeit im Kieler-Woche-Ausschuss, dem Schulauschuss und dem Finanzausschuss besondere Schwerpunkte bildeten.

In den Jahren ihres Wirkens konnten so Otto Gerlach und Max Nörenberg viele Dinge mitgestalten, die zum Teil bis heute sichtbar sind. Der Bau der Friedhofskapelle und die Friedhofserweiterung fielen in die 1960er Jahre, ebenso wie der Turnhallenbau, der Bau des Hausmeisterhauses, die Ölheizung für die Schule und der Ausbau des Schulhofes. Auch über den Ausbau des Russeer Weges und die Bebauungspläne für das Berliner Viertel wurde leidenschaftlich gestritten und mitbeschlossen.

Bürgerzeitung

Im Juni 1988 legte der Ortsverein die erste Ausgabe seiner Bürgerzeitschrift Unser RUSSEE vor. Sie erschien künftig - pünktlich wie ein Uhrwerk - viermal jährlich. Chefredakteur und Motor des Blattes war Olaf Busack. Im Juni 1998 konnte das zehnjährige Bestehen von Unser RUSSEE gefeiert werden, im Dezember 2000 kam die 50. Ausgabe heraus.

Projekt Sporthalle

Im November 1996 beschloss der OV Russee, sich für den Bau einer neuen Sporthalle im Stadtteil einzusetzen, und gründete dafür einen Arbeitskreis unter Führung von Jürgen Hahn. Im Januar 1998 gab dieser die Arbeit für das Projekt an einen überparteilichen Förderverein ab, dessen Vorsitz Birgit Conjé übernahm, gleichzeitig stellvertretende Vorsitzende des OV Russee. [Erfolg?]

Chronik

2000 legte Robert Bartels eine Chronik des OV Russee, Beitrag zur Russeer Geschichte - Die SPD Russee, im Selbstverlag vor.
Inhalt:

  • Teil I: Die ersten Spuren der SPD Russee / Die Ortsvorsteher/Bürgermeister / Die Gemeinderatswahlen bis 1933 / 1929 - Versuch einer Eingemeindung
  • Teil II: Das AEL Nordmark / Lager für bombengeschädigte Obdachlose
  • Teil III: Die Kommunalwahlen ab 1948-1970 / Die Umgemeindung Heidenbergs nach Kiel / Russee wird eingemeindet
  • Teil IV: Die Kommunalwahlen ab 1970 / Der Ortsbeirat Russee/Hammer / Planung und Bau des "Berliner Viertels"
  • Teil V: Die Biographien der Ortsvereinsvorsitzenden der SPD Russee / Die Ortsvereinsvorstände der SPD Russee / Informationsblätter der SPD / Prominente Mitglieder: Wilhelm Käber
  • Anhang: Mitgliederbewegung in den Ortsvereinen / Eingemeindungsvertrag von 1929 / Umgemeindungsvertrag von Heidenberg 1965 / Eingemeindungsvertrag 1970 / "Unsere Gemeinde" - Argumente der SPD Russee zur Eingemeindung 1970 / "Nachrichtendienst" - Argumente der DGR gegen die Eingemeindung 1970 / Demographische Entwicklung und andere Zahlen

Ortsbeirat

Teil des Eingemeindungsvertrages von 1970 war die Schaffung eines Ortsbeirates, der Russeer Belange in die Entscheidungen der Kieler Ratsversammlung hineintragen konnte. Erster Vorsitzender wurde Max Nörenberg, bis die SPD in der Kommunalwahl 1974 keine Mehrheit bekam und den Vorsitz bis 1986 verlor.

Nach der Kommunalwahl 1986 wurde Alwin Schmalz zum Vorsitzenden des Ortsbeirates gewählt; 1994 folgte ihm Winfried Jöhnk (bis 2003). Die letzten Jahre bis 2007 lag der Vorsitz wieder nicht bei der SPD.

Ratsversammlung

Von 1974 an vertrat Otto Gerlach Russee als Ratsherr in der Kieler Ratsversammlung. In der Kommunalwahl 1986 konnte sich die SPD nicht durchsetzen, jedoch rückte Otto Gerlach bald wieder in den Rat nach. 1990 wurde Ingrid Jöhnk gewählt, 1998 für eine Wahlperiode Jürgen Hahn, 2003 dann Michael Wagner, der 2008 nach dem Zusammenschluss der Ortsvereine Russee und Hammer wiedergewählt wurde.

Vorsitzende

Heinrich Grönwoldt

Am 23. September 1967 wählte die SPD Russee Heinrich Grönwoldt zu ihrem ersten und bisher einzigen Ehrenvorsitzenden.

TSV Russee

Der Turn- und Spielverein Russee e.V. hat seine Wurzeln vermutlich im Arbeitersport. Darauf weist etwa der Umstand hin, dass bei der Gründung am 19. Februar 1924 im Gasthof Mordhorst Gemeindevorsteher Otto Rehder den Vorsitz übernahm. Er wurde als begeisterter Sportler auch Turnwart.[2] Weitere Informationen zur Geschichte des Vereins in der Weimarer Republik sind bisher nicht ermittelt.

Literatur

  • Robert Bartels: Beitrag zur Russeer Geschichte - Die SPD Russee (Kiel 2000)

Einzelnachweise

  1. Ein Indiz für 1914 oder Ende 1913 ist auch, dass in dieser Zeit im Reichstagswahlkreis 4 neue Ortsvereine gegründet worden sind. Siehe Hamburger Echo, 17.6.1914, S. 3. 1912 bestand der Ortsverein jedenfalls noch nicht, siehe: Hamburger Echo 28.8.1912
  2. Vgl. Homepage des TSV Russee, abgerufen 21.11.2020