1929
In Deutschland regiert weiterhin eine SPD-geführte Große Koalition unter Hermann Müller.
Parteivorsitzende sind Arthur Crispien und Otto Wels, Distriktsvorsitzender in Schleswig-Holstein ist Willy Verdieck.
Am 3. Oktober stirbt mit Reichsaußenminister Gustav Stresemann (DVP) ein wichtiger und konstruktiver Politiker der Weimarer Republik. Das zweite Halbjahr steht im Zeichen der Auseinandersetzungen um den noch von ihm verhandelten Young-Plan, mit dem die Bedingungen des Versailler Vertrages für Deutschland erneut erleichtert werden. Die Rechtsparteien - zum ersten mal unter Einschluss der NSDAP - erreichen ein Volksbegehren, dem ein beispielloser Propaganda'feldzug' vorausgeht. Sie stellen dem Young-Plan das "Gesetz gegen die Versklavung des deutschen Volkes"[1] entgegen; ein Volksentscheid scheitert an mangelnder Beteiligung (15%). Ziel der Rechten ist nicht in erster Linie, das Abkommen zu verhindern, sondern den Sturz der Regierung zu bewirken. Dieses Vorgehen wird auch in konservativen Kreisen kritisch gesehen.
Den Hintergrund bildet die sich stetig verschlechternde weltwirtschaftlichen Lage. Im Oktober folgt mit der Weltwirtschaftskrise ("Schwarzer Freitag" an der New Yorker Börse) ein katastrophaler Absturz, der viele Menschen für Jahre in existenzielle Not bringt und in Deutschland den Aufstieg der Nazis begünstigt.
Januar
- Der Lehrer Hermann Hamann aus Holtenau gestaltet die Mitgliederversammlung des neu gegründeten Ortsverein Altenholz/Klausdorf und wird gern gesehener Gastredner.
- Der Kieler Konsum verfügt über 88 Verteilungsstellen, dazu 15 Verteilungsstellen für Back- und Grünwaren, 8 für Fleisch- und Wurstwaren sowie ein Kaufhaus an der Holtenauer Straße Ecke Jägersberg.
- Johannes 'Hanne' Rohwer übernimmt die Berichterstattung der VZ für Neumünster.
- 10. Januar - Christa Bantzer wird in Herzberg geboren.
- 17. Januar - Hannelore Fojut kommt zur Welt.
Februar
März
- 7. März - In einer Massenauseinandersetzung zwischen SA und KPD in Wöhrden/Dithm. - von den Nazis später als "Blutnacht von Wöhrden" glorifiziert - gibt es drei Tote und zahlreiche zum Teil schwer Verletzte, darunter der ehemalige Sozialdemokrat Christian Heuck.
- 22. März - Die Gemeindevertretung von Russee stimmt der Eingemeindung des Ortes nach Kiel zu. Aus ungeklärten Gründen wird dieser Beschluss nicht umgesetzt.
April
- 20. April - Frauenkonferenz für den Unterbezirk III im Holsteinischen Haus in Plön. Die Schweizerin Gertrude Duby spricht zum Thema "Schutz für Mutter und Kind", die Berlinerin Hedwig Wachenheim zu "Arbeiterklasse und Staat".
Mai
- 12. Mai - Die Wassersportabteilung der Freien Turnerschaft, ein Segel- und Ruderverein für Arbeiter, weiht sein erstes Klubhaus an der Wiker Bucht (heute Kiellinie) ein. Im oberen Geschoss ist die Jugendherberge untergebracht.
- 26.-31. Mai - SPD-Parteitag in Magdeburg. Tagesordnung: Bericht der Wehrkommission (Wilhelm Dittmann); die Internationale (Arthur Crispien); die Frau in Politik und Wirtschaft (Marie Juchacz); Arbeitersport und Sozialdemokratie (Carl Schreck). Friedrich Bartels wird erneut zum Kassierer gewählt, Johannes Stelling erneut in den Parteivorstand.
Juni
- Otto Eggerstedt wird zum Polizeipräsidenten von Altona (Holstein) ernannt.
- 16. Juni - Günter Scheller kommt zur Welt.
Juli
- Herbert Frahm nimmt mit anderen Falken aus Schleswig-Holstein an der Kinderrepublik Namedy/Rheinland teil.
- 12. Juli - Kurt Rohweder wird in Borby geboren.
- 18.-21. Juli - In Nürnberg findet das 2. Arbeiter-Turn- und Sportfest des Arbeiter-Turn- und Sportbundes (ATSB) statt. Aus Schleswig-Holstein nimmt zumindest Theo Sakmirda von der Freien Turnerschaft an der Kieler Förde teil, vermutlich auch noch weitere Arbeitersportler. Richard Grune fertigt dafür ein Bild (Plakat?), wohl als Auftragsarbeit.
August
- Louise Schroeder soll in diesem Sommer am Friedrich-Ebert-Denkmal in Büdelsdorf gesprochen haben, vor über 1000 Frauen, von denen einige sogar aus Kiel angereist sind.
- 22. August - Karl Meitmann wird mit großer Mehrheit zum Landesvorsitzenden der Hamburger SPD gewählt und verlegt seinen Lebensmittelpunkt nach Hamburg.
September
- 9. September - Hermann Adam stirbt mit 61 Jahren in Kiel.
Oktober
- 5. Oktober - Frauenkonferenz in Eutin. Es sprechen Kurt Rosenfeld, Louise Schroeder und Toni Jensen.
- 6./7. Oktober - Bezirksparteitag in Eutin. Gast ist der SPD-Vorsitzende Hans Vogel.
November
- 2. November - Manfred Frank kommt in Grimmelsberg/Krs. Plön zur Welt.
- 10. November - Bürgerschaftswahl in Lübeck. Die SPD erhält 34 Sitze; gewählt werden u. a. Bernhard Kalk, Julius Leber, Otto Passarge, Fritz Solmitz.
- 17. November - Provinziallandtagswahl 1929 und Kommunalwahl 1929.
- 21. November - Max Nörenberg wird in Meldorf geboren.
Dezember
- 22. Dezember - Volksabstimmung über den Young-Plan. Von 1527119 Wahlberechtigten in Schleswig-Holstein geben nur 190318 überhaupt ihre Stimme ab. Die Abstimmung scheitert.[1]
- 30. Dezember - Theo Sakmirda kommt in Kiel zur Welt.
Nicht datiert
- Alfred Ahrens wird Amts- und Gemeindevorsteher von Seedorf.
- Bernhard Ahrens besucht die Arbeitervolkshochschule in Tinz.
- Fritz Baade übernimmt die Leitung der Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen.
- Hermann Clausen wird Vorsitzender der SPD Schleswig.
- Hermann Franck, Lauritz Lauritzen und Hugo Voß (spätestens dieses Jahr) treten in die SPD ein.
- Alfred Kähler löst Erwin Marquardt als Leiter der Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld ab.
- Luise Schmidt beginnt als Dozentin an der Volkshochschule Lübeck.
- Anni Krahnstöver wird Bezirksfrauensekretärin in Oppeln/Oberschlesien.
- Karl Langebeck übernimmt als hauptamtlicher Parteisekretär die Zuständigkeit für den Unterbezirk Ostholstein (=die Kreise Plön, Oldenburg und Eutin); dadurch wird er Mitglied im Bezirksvorstand.
- Sophie und Amandus Lützen eröffnen in Harrislee das Café Waldheim.
- Karl Ratz wird Mitarbeiter der VZ.
- Hans Schwichtenberg geht nach seiner Buchdruckerlehre für drei Jahre auf Wanderschaft.
- Walter Weskamp gründet mit Freunden die SAJ in Kronshagen.
- Heinrich Wilckens wird Stadtrat in Uetersen.
- Rudolf Wissell erhält für seinen Einsatz für die Gemeinwirtschaft die Ehrendoktorwürde der Kieler Universität.
- Die erstarkende KPD bemüht sich zunehmend um Einfluss auf die Arbeitersportvereine, gegen den Widerstand der SPD-nahen Vorstände. Reichsweit verlassen daher in diesem Jahr 32.000 Mitglieder die bestehenden Vereine.
- Der diesjährige Bezirksparteitag findet in Eutin statt.
- Die Freie Volksbühne Kiel gibt auf Grund wirtschaftlicher Not die bisherige klassenbewusste Linie auf und öffnet sich für Beamte und Angestellte als Mitglieder.
- Die Naturfreunde gründen ein Mandolinenorchester.
- In Kiel gründet sich die "Sozialistische Kulturgemeinschaft", um die Zersplitterung der sozialistischen Kulturarbeit zu überwinden.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 95