Karl Heinz Luckhardt

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Karl Heinz Luckhardt
Karl Heinz Luckhardt
Karl Heinz Luckhardt
Geboren: 3. Mai 1932
Gestorben: 11. August 2019

Karl Heinz Luckhardt, * 3. Mai 1932 in Bochum, † 11. August 2019 in Kiel; Maler, Volkswirt, MdL, Oberbürgermeister. 1952 Eintritt in die SPD.

Leben & Beruf

Die Nazis verweigerten Karl Heinz Luckhardt[1] der Besuch einer höheren Schule wegen eines "nicht befriedigenden Ariernachweises" - er hatte eine jüdische Großmutter, seine Mutter war Halbjüdin. Die Familie überstand die NS-Herrschaft mit eigenen Strategien. "'Wir sind unheimlich oft umgezogen,' erinnert er sich. 'Die Bürokratie kam damals noch nicht so schnell nach und so konnten wir uns durch die Kriegsjahre schlängeln.'" Als er sechs war, also etwa 1938, zog die Familie nach Berlin in die Lübecker Straße.[2]

Er lernte in seiner Heimat Westfalen das Malerhandwerk, wechselte dann in die Industrie, wo er als Kranführer in einem Stahlwerk tätig war. Später ermöglichte ihm die Gewerkschaft, auf dem 2. Bildungsweg in Hamburg an der Akademie für Gemeinwirtschaft (heute Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik) zu studieren, die nach dem Vorbild der Akademie der Arbeit in Frankfurt aufgebaut war. Nach dem Abschluss wechselte er 1963 als wissenschaftlicher Assistent zur SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag und zog nach Kiel.

Seit 1951 war er Mitglied der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden, später von IG Metall, ÖTV und ver.di. Er übte verschiedene Vorstandsfunktionen aus und vertrat die IG Metall ab 1978 im Aufsichtsrat der Krupp MaK Maschinenbau AG. 2010 verlieh ihm der DGB einen Ehrenpreis für sein langjähriges Engagement.

Er und seine Frau Irmgard Luckhardt haben drei Söhne. Alle haben die Musikbegeisterung ihres Vaters geerbt; der jüngste, Christopher, ist freiberuflich als Musiker tätig.

Karl Heinz Luckhardt war musikalisch; er trat gern auch bei öffentlichen Anlässen mit Gesang und Gitarre auf, etwa 2012 bei einer Veranstaltung im Rahmen des OB-Wahlkampfes für Susanne Gaschke (vgl. Foto oben rechts), oder brachte hochbetagten Bürgern Geburtstagsständchen[3]. Anlässlich einer Schallplatte, auf der er den Konzertmeister des Kieler Opernorchesters begleitete, schrieb die Presse, man kenne

Landtagsfraktion besichtigt 1972 ein Kieler Flüchtlingslager. Karl Heinz Luckhardt vorn links.

"den Kieler Verwaltungschef als Stimmungssänger, als einen, der kernige Seemannslieder und kämpferische Arbeitergesänge trefflich auf der Klampfe begleiten kann."[4]

Als Gitarrist und Sänger bildete er mit Hartmut Lippe und Friedrich Steinmetz auch die Kieler Musikgruppe Die Maikäfer. Das Trio trat mit Arbeiterliedern bei vielen Wahlveranstaltungen und zu anderen Anlässen auf, häufig ergänzt durch Hein Blomberg, der aus seinen in "Missingsch" verfassten Büchern las. Dies war kein reines Hobby, sondern auch politisches Engagement.

Karl Heinz Luckhardt war auch begeisterter Kleingärtner und in Kiel bekannt als Züchter der Tomatoffel, einer Kreuzung aus Tomate und Kartoffel. Neben drei Hauskatzen hielt er Hühner und Kaninchen, die er der Presse bei Bedarf bereitwillig präsentierte.[5] Auch seine Teilhabe an einem Haus in der Toskana als Sommerferiendomizil war in Kiel bekannt.[6]

Partei & Politik

Karl Heinz Luckhardt, 1967

Schon in Nordrhein-Westfalen und Hamburg übte Karl Heinz Luckhardt Vorstandsfunktionen bei Jusos und SPD aus. In Kiel gehörte er von 1970 bis mindestens 1976 dem Vorstand des Ortsvereins Suchsdorf an, war von 1969 bis 1975 Kreisvorsitzender der Kieler SPD und von 1975 bis 1981 stellvertretender Vorsitzender im Landesvorstand.

Kommunalpolitik

In der Kommunalwahl 1966 wurde er in die Kieler Ratsversammlung gewählt, im selben Jahr zum Mitglied des Ortsbeirates Suchsdorf. Beides blieb er bis 1971. 1970 wurde er Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion und ehrenamtlicher Stadrat.

Landtag

1970 setzte er sich gegen den amtierenden MdL Alfred Prezewowsky als Kandidat im Wahlkreis 25 (Kiel-Nord) durch[7] und wurde in den Landtag gewählt. Dort war er wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion, war aktiv im Finanz-, im Wirtschafts- und im Landeskleingartenausschuss, in den Ausschüssen für die Wahrung der Rechte der Volksvertretung und für den Kommunalen Investitionsfonds sowie im Untersuchungsausschuss 'Universitäts-Frauenklinik'. Von 1971 bis 1975 gehörte er dem Norddeutschen Parlamentsrat an. 1975 übernahm er die Parlamentarische Geschäftsführung der Landtagsfraktion.

Oberbürgermeister

Ratsherr Hans-Werner Tovar und Oberbürgermeister Karl-Heinz Luckhardt während einer Sitzung der Ratsfraktion im November 1987

1980 stellte er sich als Nachfolger von Günther Bantzer für das Amt des Kieler Oberbürgermeisters zur Wahl, die er mit 25 zu 24 Stimmen knapp für sich entschied. Seine Wahl wurde von CDU und FDP, die geschlossen gegen ihn stimmten, heftig kritisiert, da er in der Findungsphase einen Gegenkandidaten gehabt hatte - den Bürgermeister von Neuenkirchen/Saar, Peter Neuber - für den die SPD-Ratsfraktion zunächst mehrheitlich gestimmt hatte. Erst nach der Entscheidung des Kreisparteitages vom 2. März für Karl Heinz Luckhardt hatte sich auch die Fraktion einstimmig hinter ihn gestellt. Für die CDU war er damit ein "Mann der 3. Wahl, der schwierige Sachverhalte zu lösen nicht in der Lage ist"; nach der Wahl am 8. Mai 1980 verstieg sie sich zu dem Urteil, "der Kieler Bürger hat eine solche Lösung durch Karl Heinz Luckhardt als OB nicht verdient." Die FDP warf ihm vor, "daß Luckhardt sich wiederholt dazu bekannt habe, ein Oberbürgermeister der SPD-Stammwähler werden zu wollen".[8] Wahr ist wohl, dass er sich immer den "kleinen Leuten" und ihren Interessen verpflichtet fühlte; diese waren jedoch nicht nur unter den Stammwählern der SPD zu finden. Nach seiner Wahl sagte er ganz klar: "Der Kieler OB soll für alle Menschen in dieser Stadt ein engagierter Anwalt ihrer konkreten Sorgen und Nöte sein."[9]

Am 1. November 1980 trat er sein Amt an, in der Ratsversammlung am 6. November wurde er vereidigt. Am 22. Mai 1986 wählte ihn die Ratsversammlung für eine zweite sechsjährige Amtszeit - erneut gegen die Stimmen der CDU, die ihm zwar "hervorragende charakterliche Qualitäten" bescheinigte, aber nicht "die Qualifikation, die er für eine Stadt wie Kiel haben müßte"; sie vermisste vor allem "Führungsfähigkeit".[10]

Dies änderte jedoch nichts daran, dass während seiner Amtszeit vieles umgesetzt wurde: die Verwaltung wurde bürgernäher ausgestaltet, die Ortsbeiräte und die Bürgerberatung im Rathaus eingeführt, die Bürgersprechstunden in den Stadtteilen erweitert und dort Sozialstationen aufgebaut. Die Ämter der Ausländerbeauftragten und - auf Initiative vor allem von SPD-Ratsfrauen - der Frauenbeauftragten (später Gleichstellungsbeauftragte) wurden geschaffen. Die Innenstadt erfuhr durch das Einkaufszentrum Sophienhof mit dem Kulturviertel, die verstärkte Attraktivität der Holstenstraße und die Hörnsanierung (die allerdings bis 1992 nicht abgeschlossen war), eine Aufwertung. In Klausbrook und Wellsee wurden für das Wachstum der Stadt wichtige neue Wohngebiete erschlossen. Der Hafen wurde zum Investitionsschwerpunkt. Auch die Sanierung Gaardens und des Vinetaplatzes nahm er für sich (und seine Verwaltung) in Anspruch.[11]

Karl Heinz Luckhardt führte auch die unter Günther Bantzer begonnene "kommunale Ostpolitik" fort durch Partnerschaften mit mehreren osteuropäischen Städten; neben Stralsund waren dies Tallinn (das frühere Reval) in Estland, Gdynia (das frühere Gdingen) in Polen, Koroljow (früher Königsberg bzw. Kaliningrad) im sowjetischen Ostpreußen und Sovetsk (früher Tilsit), ebenfalls in der Sowjetunion. Seine besondere Verbundenheit zu Tallinn dokumentierte der Oberbürgermeister, als auf seinen Wunsch der Auftrag für das obligatorische OB-Porträt an den estnischen Künstler Enn Poldroos ging.[12]

In seiner zweiten Amtszeit übernahm er ab 13. Juni 1986 auch den Vorsitz des schleswig-holsteinischen Landesverbandes des Deutschen Städtetages.[13]

Titel Rotkielchen Nr. 1 1985 mit einem kritisch-satirischen Beitrag über 'Lucky' zur Wiederwahl als OB

Karl Heinz Luckhardt sah sich nicht vordringlich als Erfüllungsgehilfe der Politik. "Ein, zwei Konflikte im Jahr" mit der Ratsversammlung und auch der eigenen Fraktion hielt er für normal.[14] Einige sind unvergessen: Als erster Sozialdemokrat setzte er sich für den Abriss der Löhrer-Häuser am Lehmberg ein, der zunächst zur zweiten großen Hausbesetzung in Kiel führen und Ordnungsdezernent Claus Möller erhebliche Probleme bereiten sollte. Er forderte - entgegen dem Zeitgeist, der hin zu weniger Raum für Autoverkehr ging - den Bau der "Südspange Gaarden" und des Zubringers durch Molfsee. Er verweigerte den Grünen 1988 die Einladung von Kieler-Woche-Gästen, weil diese in Untersuchungshaft saßen, erregte aber zwei Jahre später seinerseits die Gemüter mit der Einladung an Hans Modrow, den letzten Ministerpräsidenten der untergehenden DDR.[15]

Zuvor hatte seine Teilnahme (und seiner "Maikäfer") an der Reise von Kieler Ratsmitgliedern nach Rostock anlässlich der Feiern zum 40. Jahrestag der DDR im Oktober 1989 für Aufruhr gesorgt. Als diese Reise von den Oppositionsparteien in der Ratsversammlung als "Anbiederung" an das Regime kritisiert wurde, legte der Oberbürgermeister in seiner Erwiderung ausführlich dar, dass "Die Maikäfer" kritisches Liedgut zu Gehör gebracht hätten.[16] Wenige Wochen später war die DDR faktisch Geschichte.

Den Medien galt er schließlich als "der OB der Basis".

"Kiel hat Glück gehabt. [Es hat] einen Oberbürgermeister abbekommen, der viel arbeitet, die Verwaltung schmeißt, in etlichen Aufsichtsräten sitzt, Mitglied im Städtetag ist und trotzdem noch die Zeit findet, für jeden da zu sein. Stets hat er ein offenes Ohr für Probleme und ist außerdem so vielseitig, daß man sich ständig fragt, 'wie schafft er das bloß'.[17]

Ehrungen

Am 27. April 2010 verlieh ihm der DGB Region KERN einen Ehrenpreis.[18]

Staatliche Ehrungen lehnte er aus Überzeugung ab. Er war der Ansicht, für die gewissenhafte Erfüllung seiner Aufgaben habe niemand eine Ehrung verdient, da dies selbstverständlich sei.[19] Die ihm verliehenen Karnevalsorden allerdings schätzte und sammelte er.[20]

Links

Quellen

  1. Die Schreibweise ohne Bindestrich ist korrekt. Vgl. Gerschewski, Horst: KN-Gespräch mit Karl Heinz Luckhardt, Kieler Nachrichten, 28.10.1980
  2. rd: OB Luckhardt ist spitze!, Goden Dag leewe Lüd, 1988
  3. Groddek, Eckhard: "Die Politik vergibt Ämter auf Zeit", Kieler Nachrichten, 22.3.1989
  4. mu: Konzert- und Oberbürgermeister als Duo, Kieler Nachrichten, 4.2.1987
  5. Vgl. z.B. rd: OB Luckhardt ist spitze!, Goden Dag leewe Lüd, 1988
  6. Groddek, Eckhard: "Die Politik vergibt Ämter auf Zeit", Kieler Nachrichten, 22.3.1989
  7. Luckhardt setzte sich durch, Kieler Nachrichten, 21.9.1970
  8. Alle Zitate aus Philipp, Gottfried H. / Gerschewski, Horst: Karl Heinz Luckhardt ist Kiels neuer OB, Kieler Nachrichten, 9.5.1980
  9. Schuck, Holger: Kiels neuer OB heißt Karl Heinz Luckhardt, Der Markt, 16.5.1980
  10. Alle Zitate aus IN: Zweite Amtszeit für Karl Heinz Luckhardt, Kieler Nachrichten, 23.5.1986
  11. Groddek, Eckhard: "Die Politik vergibt Ämter auf Zeit", Kieler Nachrichten, 22.3.1989
  12. ha: Zunächst hängt der OB zu Hause an der Wand, Kieler Nachrichten, 26.3.1988
  13. Luckhardt wurde Städtetags-Chef, Kieler Nachrichten, 14.6.1986
  14. Groddek, Eckhard: "Die Politik vergibt Ämter auf Zeit", Kieler Nachrichten, 22.3.1989
  15. dd: Kieler Woche: Luckhardt lädt Modrow als Ehrengast ein, Kieler Nachrichten, 8.5.1990
  16. dd: DDR feiert, CDU schimpft und Luckhardt spielt Gitarre, Kieler Nachrichten, 5.10.1989
  17. rd: OB Luckhardt ist spitze!, Goden Dag leewe Lüd, 1988
  18. Jahresempfang für Gewerkschaften und Verleihung des Kieler Mitbestimmungspreises, Presseinfo auf www.kiel.de, 21.4.2010
  19. Vgl. Trauerrede zur Trauerfeier am 20. August 2019 in Kiel, aus dem Gedächtnis wiedergegeben.
  20. rd: OB Luckhardt ist spitze!, Goden Dag leewe Lüd, 1988