Karl Heinz Luckhardt

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Karl Heinz Luckhardt
Karl Heinz Luckhardt
Karl Heinz Luckhardt
Geboren: 3. Mai 1932
Gestorben: 11. August 2019

Karl Heinz Luckhardt, * 3. Mai 1932 in Bochum, † 11. August 2019 in Kiel; Maler, Volkswirt, MdL, Oberbürgermeister. 1952 Eintritt in die SPD.

Leben & Beruf

Die Nazis verweigerten Karl Heinz Luckhardt[1] den Besuch einer höheren Schule wegen eines "nicht befriedigenden Ariernachweises", denn er hatte eine jüdische Großmutter. Die Familie - Karl Heinz, sein jüngerer Bruder Hans-Werner, die halb jüdische Mutter und der Vater, gelernter Maschinenschlosser und Feinmechaniker - überstand die NS-Herrschaft mit eigenen Strategien. "'Wir sind unheimlich oft umgezogen,' erinnerte er sich. 'Die Bürokratie kam damals noch nicht so schnell nach und so konnten wir uns durch die Kriegsjahre schlängeln.'" Als er sechs war, also etwa 1938, zog die Familie nach Berlin in die Lübecker Straße.[2] Auch an Weihnachtsfeste ohne Tannenbaum oder mit einem grün angestrichenen Besenstiel, ohne Geschenke und mit wenig zu essen erinnerte er sich.

"Mein Vater war eigentlich kein sehr geschickter Schwarzhändler, aber in diesem Jahr [1947] schaffte er es, ein gutes Geschäft zu machen. [...] Das so gewonnene halbe Schwein wurde zum größten Teil gegen Zigaretten und Lebensmittel eingetauscht - für meinen Bruder und mich erhandelte der Vater noch ein altes Schifferklavier. Das haben wir zu Weihnachten bekommen und uns riesig gefreut."[3]

Etwa 1951 ließen die Eltern sich scheiden, der Bruder zog zur Großmutter und Karl Heinz Luckhardt war mit 19 Jahren gezwungenermaßen selbstständig.[4] Er lernte in seiner Heimat Westfalen das Malerhandwerk, wechselte dann in die Industrie, wo er als Kranführer in einem Stahlwerk tätig war. 1959 besuchte er die Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in Bochum, 1960 ermöglichte ihm die Gewerkschaft, auf dem 2. Bildungsweg zu studieren - an der Hamburger Akademie für Gemeinwirtschaft (heute Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik), die nach dem Vorbild der Akademie der Arbeit in Frankfurt aufgebaut war. Nach dem Abschluss wechselte er 1963 als wissenschaftlicher Assistent zur SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag und zog nach Kiel.

Seit 1951 war er Mitglied der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden, später von IG Metall, ÖTV und ver.di. Er übte verschiedene Vorstandsfunktionen aus und vertrat die IG Metall ab 1978 im Aufsichtsrat der Krupp MaK Maschinenbau AG. Der DGB verlieh ihm einen Ehrenpreis für sein langjähriges Engagement.

Er und seine Frau Irmgard Luckhardt, geb. Otte (* 27. November 1935 in Lübbecke, † 23. Januar 2023 in Kiel[5]) waren seit 1957 verheiratet; sie hatten drei Söhne. Alle haben die Musikbegeisterung ihres Vaters geerbt; der jüngste, Christopher, ist freiberuflich als Musiker tätig. Die Familie lebte von Anfang an in Kiel-Suchsdorf, in enger Nachbarschaft mit politischen Freunden wie Claus Möller oder Jürgen Baade.

Karl Heinz Luckhardt demonstrierte seine musikalischen Fähigkeiten gern auch bei öffentlichen Anlässen mit Gesang und Gitarre, etwa 2012 bei einer Veranstaltung im Rahmen des OB-Wahlkampfes für Susanne Gaschke (vgl. Foto oben rechts), oder brachte hochbetagten Mitmenschen ein Geburtstagsständchen[6]. Anlässlich einer Schallplatte, auf der er mit dem Konzertmeister des Kieler Opernorchesters ein klassisches Stück für Geige und Gitarre aufnahm, schrieb die Presse, man kenne

Landtagsfraktion besichtigt 1972 ein Kieler Flüchtlingslager. Karl Heinz Luckhardt vorn links.

"den Kieler Verwaltungschef als Stimmungssänger, als einen, der kernige Seemannslieder und kämpferische Arbeitergesänge trefflich auf der Klampfe begleiten kann."[7]

Als Gitarrist und Sänger bildete er mit Hartmut Lippe und Friedrich Steinmetz auch die Kieler Musikgruppe Die Maikäfer. Das Trio trat mit Arbeiterliedern bei vielen Wahlveranstaltungen und zu anderen Anlässen auf, häufig ergänzt durch Hein Blomberg, der aus seinen in "Missingsch" verfassten Büchern las. Dies war kein reines Hobby, sondern auch politisches Engagement.

Karl Heinz Luckhardt war zudem begeisterter Kleingärtner und in Kiel bekannt als Züchter der Tomatoffel, einer Kreuzung aus Tomate und Kartoffel. Er züchtete Weinstöcke im Gewächshaus und produzierte seinen eigenen Apfelwein.[8] Neben drei Hauskatzen hielt er Hühner und Kaninchen, die er der Presse bei Bedarf bereitwillig präsentierte.[9] Zeitweise betrieb er nicht nur seinen Hausgarten, sondern auch eine Parzelle am Viehdamm. Er plädierte für eine ökologische Bewirtschaftung ohne Gift und Kunstdünger, aber auch für flexiblere Vorgaben in der Nutzung der Parzellen. Dafür wurde er 1985 zum "Kleingärtner des Jahres" ausgerufen.[10]

Auch seine Teilhabe an einem alten Bauernhaus in der Toskana als Sommerferiendomizil war in Kiel bekannt.[11] Zu den Miteignern gehörte Jürgen Baade.[12]

Seine Bürgernähe als OB setzte er ein, um für Kiels Partnerschaft mit dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF Spenden einzuwerben. Eine Million DM kamen bis zu seinem Ruhestand zusammen[13], darunter auch Honorare, die er für musikalische Auftritte bekam und regelmäßig spendete. Im Ruhestand beteiligte er sich an einem privaten Partnerschaftsprojekt zur Unterstützung bedürftiger Familien in Tallinn, das jungen Menschen bessere Bildungschancen bieten sollte. Innerhalb von sechs Jahren kamen 350.000 Euro zusammen.[14]

Kurz vor seinem 80. Geburtstag erlitt er einen Herzinfarkt, von dem er sich zunächst gut erholte[15], der aber langfristige gesundheitliche Einschränkungen nach sich zog, an denen er 2019 starb. Seine Frau Irmgard Luckhardt folgte ihm 2023, kurz bevor sie für 70-jährige Mitgliedschaft in der SPD geehrt werden sollte.[16]

Partei & Politik

Karl Heinz Luckhardt, 1967

Schon in Nordrhein-Westfalen und Hamburg war Karl Heinz Luckhardt in der SPD aktiv (Juso-Vors. und Mitglied im SPD-Unterbezirksvorstand Lübbecke/Westf., im Vorstand der Sozialistischen Bildungsgemeinschaft Bochum, 2. Vors. im Ortsverein Bochum-Kornharpen, später Delegierter des Kreisvereins IV Hamburg). In Kiel gehörte er von 1970 bis 1976 oder 1978 dem Vorstand des Ortsvereins Suchsdorf an, war von 1969 bis 1975 Kreisvorsitzender der Kieler SPD und von 1975 bis 1981 stellvertretender Vorsitzender im Landesvorstand.

Kommunalpolitik

In der Kommunalwahl 1966 wurde er in die Kieler Ratsversammlung gewählt, im selben Jahr zum Mitglied des Ortsbeirates Suchsdorf. Beides blieb er bis 1971. 1970 wurde er Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion und ehrenamtlicher Stadtrat ohne Geschäftsbereich.

Damals lauteten seine politischen Ziele "klassenloses Krankenhaus", "betriebliche Mitbestimmung für Beschäftigte", "besseres Bildungssystem durch Einführung von Ganztags- und Gesamtschulen" sowie "neue Industrie für Kiel".[17] Drei dieser Punkte wurden ganz oder teilweise verwirklicht; so führte Kiel 1970 die paritätische Mitbestimmung in den städtischen Kapitalgesellschaften ein, die Beschäftigten erhielten jeweils die Hälfte der Sitze in den Aufsichtsräten. "Das war eine Pionierleistung, das hat bundesweit Schule gemacht", sagte er selbst und urteilte, "nun sei der Kieler Kreisverband 'fast so revolutionär' wie der von Jochen Steffen geführte Landesverband". Die Kieler Nachrichten ergänzten: "Übermäßige Bescheidenheit ist nie seine Sache gewesen."[18] Nur mit dem "klassenlosen Krankenhaus" und der Abschaffung der Privatabrechnung der Chefärzte konnte Karl Heinz Luckhardt sich nicht durchsetzen, sondern fand auch Widerstand in den eigenen Reihen, etwa bei Hans Schröder.

Landtag

Karl Heinz Luckhardt, 1971

Für die Landtagswahl 1971 setzte er sich gegen den amtierenden MdL Alfred Prezewowsky als Kandidat im Wahlkreis 25 (Kiel-Nord) durch[19] und wurde direkt gewählt. Im Landtag war er Parlamentarischer Geschäftsführer und wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion, war aktiv im Finanz-, im Wirtschaftsausschuss und im Ausschuss für die Wahrung der Rechte der Volksvertretung, stellvertretend im Agrar- und im Volksbildungsausschuss; außerdem gehörte er dem Ausschuss für den Kommunalen Investitionsfonds, dem Landeskleingartenausschuss sowie dem Untersuchungsausschuss 'Universitäts-Frauenklinik' an. Von 1971 bis 1975 vertrat er seine Fraktion im Norddeutschen Parlamentsrat.

Seine Mitarbeiterin Marlies Jensen-Leier pflegt positive Erinnerungen an ihn: Er habe sie selbstständig arbeiten lassen, ihr Entwicklungen erläutert, ihr Dinge zugetraut und habe seine politischen Überzeugungen auch gelebt. So habe er dafür gesorgt, dass sie als Alleinerziehende eingestellt wurde und dann auch kinderfreundliche Arbeitszeiten erhielt, als dies noch längst nicht üblich war. Er sei ein Freund der zweiten Frauenbewegung gewesen. Und sein Lieblingsthema sei gewesen "Einkommensumverteilung", weshalb in seinem Büro immer eine aktuelle Liste der "Einkommens- und Vermögensmillionäre" in seinem Blickfeld gehangen habe.[20]

Oberbürgermeister

1980 stellte er sich als Nachfolger von Günther Bantzer für das Amt des Kieler Oberbürgermeisters zur Wahl, die er mit 25 zu 24 Stimmen knapp für sich entschied. Zuvor hatte er sich parteiintern nur mit Mühe gegen einen Mitbewerber durchgesetzt, den Bürgermeister von Neuenkirchen/Saar, Peter Neuber, für den die SPD-Ratsfraktion zunächst mehrheitlich gestimmt hatte. Erst nach dem Votum des Kreisparteitages vom 2. März für Karl Heinz Luckhardt hatte sich auch die Fraktion einstimmig hinter ihn gestellt.[21] Seine Wahl wurde nicht zuletzt deswegen von CDU und FDP, die geschlossen gegen ihn stimmten, heftig kritisiert. Die CDU nannte ihn einen "Mann der 3. Wahl, der schwierige Sachverhalte zu lösen nicht in der Lage ist"; nach der Wahl am 8. Mai 1980 verstieg sie sich zu dem Urteil, "der Kieler Bürger hat eine solche Lösung durch Karl Heinz Luckhardt als OB nicht verdient." Die FDP warf ihm vor, "daß Luckhardt sich wiederholt dazu bekannt habe, ein Oberbürgermeister der SPD-Stammwähler werden zu wollen".[22] Wahr ist wohl, dass er sich immer den "kleinen Leuten" und ihren Interessen verpflichtet fühlte; diese waren jedoch nicht allein unter den Stammwählern der SPD zu finden. Nach seiner Wahl sagte er ganz klar: "Der Kieler OB soll für alle Menschen in dieser Stadt ein engagierter Anwalt ihrer konkreten Sorgen und Nöte sein."[23]

Am 1. November 1980 trat er sein Amt an, in der Ratsversammlung am 6. November wurde er vereidigt. Schon im Januar 1985 sprach sich die Ratsfraktion einstimmig dafür aus, ihn für eine zweite Amtszeit zu nominieren.[24] Im September 1985 bestätigte der Kreisparteitag die Voten von Fraktion, Kreisvorstand und Kreisausschuss mit 105 Ja-Stimmen bei 13 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen. In seiner Rede hob der OB das neue Bürgerberatungssystem, die Umstellung im öffentlichen Personennahverkehr, die Schaffung einer neuen Wohnqualität durch die KWG und den kürzlich verabschiedeten Landschaftsplan als Leistungen seiner ersten Amtszeit hervor; für die zweite sah er eine Kurskorrektur nach vier Jahren CDU-FDP-Mehrheit als notwendig an, "um überzogene Beschlüsse wie Erhöhung der Kindertagesheimentgelte, Aufhebung der Lernmittelfreiheit und den Stillstand bei der Erhaltung städtischer Gebäude revidieren zu können". Zur Verbesserung der Einnahmen regte er eine maßvolle Erhöhung der Gewerbesteuer an.[25]

Am 22. Mai 1986 wählte ihn die Ratsversammlung für eine zweite sechsjährige Amtszeit - erneut gegen die Stimmen der CDU, die ihm zwar "hervorragende charakterliche Qualitäten" bescheinigte, aber nicht "die Qualifikation, die er für eine Stadt wie Kiel haben müßte"; sie vermisste vor allem "Führungsfähigkeit".[26]

Dies änderte jedoch nichts daran, dass während seiner Amtszeit vieles umgesetzt wurde: die Verwaltung wurde bürgernäher ausgestaltet, die Bürgerberatung im Rathaus eingeführt, die Bürgersprechstunden in den Stadtteilen erweitert und dort Sozialstationen aufgebaut. Weitere Ortsbeiräte wurden geschaffen, zudem die Ämter der Ausländerbeauftragten und - auf Initiative vor allem der SPD-Ratsfrauen Silke Reyer, Waltraut Siebke und Uschi Schuckenböhmer - der Frauenbeauftragten (später Gleichstellungsbeauftragte). Die Innenstadt erfuhr durch das Einkaufszentrum Sophienhof mit dem Kulturviertel und die verstärkte Attraktivität der Holstenstraße eine Aufwertung. In Klausbrook und Wellsee wurden für das Wachstum der Stadt wichtige neue Wohngebiete erschlossen. Der Hafen nahm einen so nicht erwarteten Aufschwung. Auch die Sanierung der Hörn, Gaardens und des Vinetaplatzes kam voran.[27]

Ratsherr Hans-Werner Tovar und OB Karl Heinz Luckhardt während einer Sitzung der Ratsfraktion im November 1987

Karl Heinz Luckhardt führte auch die unter Günther Bantzer begonnene "kommunale Ostpolitik" fort durch Partnerschaften mit mehreren osteuropäischen Städten; neben Stralsund waren dies Tallinn (früher Reval) in Estland, Gdynia (früher Gdingen) in Polen, Kaliningrad (früher Königsberg) und Sovetsk (früher Tilsit) im sowjetischen Ostpreußen. Seine besondere Verbundenheit zu Tallinn dokumentierte der Oberbürgermeister, als auf seinen Wunsch der Auftrag für das obligatorische OB-Porträt an den estnischen Künstler Enn Poldroos ging.[28] Bei den Städtepartnerschaften nach Osteuropa "war immer Luckhardts besonderes Engagement zu spüren, hier machte er mit Leidenschaft Politik, hier bewies er Weitblick, schob Dinge an, die weit über Aufgaben und Kompetenz eines Oberbürgermeisters hinausgingen".[29]

In seiner zweiten Amtszeit übernahm er ab 13. Juni 1986 auch den Vorsitz des schleswig-holsteinischen Landesverbandes des Deutschen Städtetages.[30]

Konflikte

Titel Rotkielchen Nr. 1/85 mit einem kritisch-satirischen Beitrag zu 'Luckys' Wiederwahl als OB

Der Oberbürgermeister sah sich nicht vordringlich als Erfüllungsgehilfe der Politik. "Ein, zwei Konflikte im Jahr" mit der Ratsversammlung und auch der eigenen Fraktion hielt er für normal.[31] Einige sind unvergessen: Als erster Sozialdemokrat setzte er sich für den Abriss der Löhrer-Häuser für den Ausbau des Lehmbergs ein, der zunächst zur zweiten großen Hausbesetzung in Kiel führen und Ordnungsdezernent Claus Möller erhebliche Probleme bereiten sollte. Er forderte - entgegen dem Zeitgeist, der hin zu weniger Raum für Autoverkehr ging - den Bau der "Südspange Gaarden" und des Zubringers durch Molfsee.[32]

Die einmalige "Opernkreuzfahrt" vom Mai 1990 nach Tallinn wurde in erster Linie Kulturdezernent Rolf Johanning zugerechnet - kulturpolitisch als großer Erfolg, finanziell als große Katastrophe und Skandal, der die öffentliche Meinung in Kiel längere Zeit beschäftigte. Aufgrund einer Strafanzeige der CDU wurden jedoch auch gegen Karl Heinz Luckhardt Ermittlungen wegen "Untreue" aufgenommen und erst im November 1991 eingestellt. Die Kieler Staatsanwaltschaft kam zu dem Ergebnis, beide Politiker hätten sich "im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens gehalten".[33] In einer Laienpredigt kommentierte Karl Heinz Luckhardt die Sache mit dem Satz: "Es kommt vor, daß man Schlechtes beschließen muß, um noch Schlimmeres zu verhindern."[34]

Er verweigerte den Grünen 1988 die Einladung von Kieler-Woche-Gästen, weil diese in Untersuchungshaft saßen[35] , erregte aber zwei Jahre später seinerseits die Gemüter mit der Einladung an Hans Modrow, den letzten Vorsitzenden des Ministerrates der untergehenden DDR.[36] Kreisvorsitzender Peter Andersen forderte ihn auf, die Einladung zurückzunehmen; der Kreisvorstand empfand sie als "Brüskierung der Demokratiebewegung und damit nicht zuletzt auch der Sozialdemokraten in der DDR" und warf dem OB vor, einen "öffentlichen Scherbenhaufen produziert" zu haben. Dieser fühlte sich unter Druck gesetzt und wehrte sich gegen den "Konfrontationskurs" des Kreisvorsitzenden, von dem er "erschüttert" sei. Seine Einladung an Modrow erhielt er aufrecht, prophezeite jedoch: "Wenn er nun aber mitbekommt, wie liberal, weltoffen und christlich diese Stadt ist, wird er sich das wohl noch überlegen."[37]Er sollte recht behalten - Modrow nahm die Einladung unter Berufung auf "vorher eingegangene Terminverpflichtungen" nicht an.[38] Vorher versuchte die CDU erfolglos, den OB zum Rücktritt zu zwingen.[39][40]

Schon im Oktober 1989 hatte seine Teilnahme (und die seiner "Maikäfer") an der Reise von Kieler Ratsmitgliedern nach Rostock anlässlich der Feiern zum 40. Jahrestag der DDR für Aufruhr gesorgt. Als diese Reise von den Oppositionsparteien in der Ratsversammlung als "Anbiederung" an das Regime kritisiert wurde, legte der Oberbürgermeister in seiner Erwiderung ausführlich dar, dass "Die Maikäfer" kritisches Liedgut zu Gehör gebracht hätten.[41][42] Wenige Wochen später war die DDR faktisch Geschichte.

Nach dem Amt

1995 war es mit Karl Heinz Luckhardts Bedürfnis nach Ruhestand vorbei: Er kündigte an, sich in der Landtagswahl 1996 erneut um den Wahlkreis 17 (Kiel-Nord) zu bewerben, den er schon in der Landtagswahl 1971 geholt hatte. Er wolle damit, so sagte er, "auch Zeichen für die Senioren setzen. Sie sollten sich nicht mit dem Altenteil begnügen, sondern ihre Interessen anmelden." Gleichzeitig forderte er die Bürgernähe, die er als OB für sich reklamiert hatte: "'Politiker dürfen nicht in irgendwelchen Rats- und Landeshäusern verschwinden.' Die Bevölkerung habe ein Bedürfnis nach Mandatsträgern 'zum Anfassen'."[43] In der parteiinternen Auswahl unterlag er jedoch dem ehemaligen Kieler Sozialdezernenten Rolf Schroedter, der direkt gewählt wurde, das Mandat allerdings schon nach einem Jahr wegen seines Umzugs nach Berlin niederlegte.

Ehrungen

Am 11. Mai 1985 rief ihn der Landesbund der Kleingärtner auf seiner Jahrestagung zum "Kleingärtner des Jahres" aus.[44] Der Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein zeichnete ihn 1992 für sein ehrenamtliches Engagement als Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse Kiel mit der Dr.-Johann-Christian-Eberle-Medaille in Gold aus[45], und am 27. April 2010 verlieh ihm der DGB Region KERN einen Ehrenpreis für seine langjährige gewerkschaftliche Mitarbeit.[46]

Er war Ehrenbürger der Stadt Tallinn/Estland.[47]

Staatliche Ehrungen lehnte er aus Überzeugung ab. Er war der Ansicht, für die gewissenhafte Erfüllung seiner Aufgaben habe niemand eine Ehrung verdient, da dies selbstverständlich sei.[48] Die ihm verliehenen Karnevalsorden allerdings schätzte und sammelte er.[49]

Stimmen

Der Regionalpresse galt Karl Heinz Luckhardt einerseits als "der OB der Basis".

"Kiel hat Glück gehabt. [Es hat] einen Oberbürgermeister abbekommen, der viel arbeitet, die Verwaltung schmeißt, in etlichen Aufsichtsräten sitzt, Mitglied im Städtetag ist und trotzdem noch die Zeit findet, für jeden da zu sein. Stets hat er ein offenes Ohr für Probleme und ist außerdem so vielseitig, daß man sich ständig fragt, 'wie schafft er das bloß'.[50]

Andererseits wurde er von ihr gerade zum Ende seiner Amtszeit äußerst kritisch beurteilt, etwa wenn die KN schrieben, er habe im Magistrat "als Primus inter pares [Erster unter Gleichen] allzuoft nur eine Art Conferencier" abgegeben, und weiter:

"Das Durchsetzen war Luckhardts Sache nie, eher schon das Durchsitzen oder Durchstehen. Auch seine erbittertsten politischen Gegner haben ihm immer großes Stehvermögen, gute Nerven und ein dickes Fell bescheinigt."[51] Aber der OB mache "nicht einmal mehr den Versuch [...], sein Desinteresse an der kommunalpolitischen Knochenarbeit zu verbergen."[52]

Auch die Genoss*innen, nicht zuletzt die Jusos, übten zuletzt offene Kritik an der Haltung ihres OB, von dem sie auf die Frage, was seine politische Basis sei, zur Antwort bekamen:

"Mein eigener Kopf. Das mit der politischen Einbindung ... dafür bin ich viel zu lange Sozialdemokrat und auch von Anfang an aktiv! Da lernt man das kleine Einmaleins der Politik. Man liest das Grundsatzprogramm [...] und nimmt es verdammt ernst [...]. Dann kommen aber viele Beschlüsse, bei denen man nicht mehr weiß, wo in Kiel oder in der Landes-SPD welcher Beschluß eigentlich gültig ist. Deshalb habe ich mir angewöhnt, einen eigenen Kopf zu haben. Ich habe auch gelernt, daß ein Parteibeschluß nicht immer richtig sein muß. [...] Wenn ich feststelle: demokratisch in Ordnung, aber sachlich falsch, weiche ich ab." Die Parteigremien waren ihm nur bedingt wichtig: "Ihr glaubt, der Kreisparteitag sei das alleinige Gremium der politischen Willensbildung. Das ist er nicht! [...] Und für mich als OB ist es völlig ausgeschlossen, daß ich meine Bestätigung ausschließlich in der Teilnahme an Partei- und Fraktionssitzungen sehe. Dafür tagen die Gremien heute dreimal so lange wie vor 20 Jahren. [An Kreisparteitagen habe ich die letzten zwei Jahre nicht mehr teilgenommen.] Es waren aber auch einige völlig überflüssige dabei. [...] Politik ist immer die Frage: Was kann man machen?"[53]

Diese von der reinen parteipolitischen Lehre abweichende Haltung hindert die Partei jedoch nicht, ihm ein ehrendes Andenken zu bewahren:

"Als Kieler Oberbürgermeister war er 12 Jahre lang ein starker Motor für Reformen. Wir werden seine Tatkraft, seine Bodenständigkeit und seine Herzlichkeit vermissen."[54]

Die Landtagsfraktion schrieb:

"Wir verlieren mit ihm einen profilierten Politiker der schleswig-holsteinischen Sozialdemokratie, der sich in vielen Funktionen bewährt hat."[55]

Auch die Partnerstadt Tallinn widmete ihm eine Traueranzeige.[56]

Links

Einzelnachweise

  1. Die Schreibweise ohne Bindestrich ist korrekt. Vgl. Gerschewski, Horst: KN-Gespräch mit Karl Heinz Luckhardt, Kieler Nachrichten, 28.10.1980
  2. rd: OB Luckhardt ist spitze!, Goden Dag leewe Lüd, 1988
  3. Ein grüner Besenstiel als Tannenbaum, Kieler Nachrichten, 22.12.1990
  4. Ein grüner Besenstiel als Tannenbaum, Kieler Nachrichten, 22.12.1990
  5. Traueranzeige der Familie, Kieler Nachrichten, 28.1.2023
  6. Groddek, Eckhard: "Die Politik vergibt Ämter auf Zeit", Kieler Nachrichten, 22.3.1989
  7. mu: Konzert- und Oberbürgermeister als Duo, Kieler Nachrichten, 4.2.1987
  8. Reischuk, Karl-Heinz: Stipp-Visite am Wochenende: Oberbürgermeister Karl-Heinz Luckhardt (sic), Kieler Express, 31.3.1990
  9. Vgl. z.B. Pfeiffer, Horst: OB Luckhardt erholt sich bei seinen Haustieren, Kieler Express, 14.2.1985
  10. Karl Heinz Luckhardt 'Kleingärtner des Jahres', Kieler Nachrichten, 13.5.1985
  11. Groddek, Eckhard: "Die Politik vergibt Ämter auf Zeit", Kieler Nachrichten, 22.3.1989
  12. Vgl. Lass mal schnacken, Folge 257, abgerufen 26.6.2020
  13. Das schönste Geschenk: Eine Million für Unicef, Kieler Express, 4.11.1992
  14. Die Politik lässt ihn nicht los, Kieler Nachrichten, 3.5.2002
  15. Bürgernähe auch an der Gitarre, Kieler Nachrichten, 3.5.2012
  16. So Andreas Arend beim Gedenken an sie im Rahmen des Grünkohlessens im Ortsverein Suchsdorf am 3.2.2023.
  17. Karl Heinz Luckhardt, Nordwoche, 24.4.1970
  18. Alle drei Zitate aus Wilke, Uta: Ein Mann, der die Bühne liebt (OB-Serie, Teil II), Kieler Nachrichten, 9.12.2015
  19. Luckhardt nominiert, Kieler Nachrichten, 26.9.1970
  20. Jensen-Leier, Marlies: Holm - engHolm und zurück (Husum 2018), S. 77 ff.
  21. hg[Horst Gerschewski]: Luckhardt zieht als neuer OB ins Kieler Rathaus ein, Kieler Nachrichten, 3.3.1980
  22. Alle Zitate aus Philipp, Gottfried H. / Gerschewski, Horst: Karl Heinz Luckhardt ist Kiels neuer OB, Kieler Nachrichten, 9.5.1980
  23. Schuck, Holger: Kiels neuer OB heißt Karl Heinz Luckhardt, Der Markt, 16.5.1980
  24. SPD schlägt Luckhardt zur Wiederwahl vor, Kieler Nachrichten, 31.1.1985
  25. Luckhardt erneut Kandidat der SPD, Kieler Nachrichten, 23.9.1985
  26. Alle Zitate aus IN: Zweite Amtszeit für Karl Heinz Luckhardt, Kieler Nachrichten, 23.5.1986
  27. Groddek, Eckhard: "Die Politik vergibt Ämter auf Zeit", Kieler Nachrichten, 22.3.1989
  28. ha: Zunächst hängt der OB zu Hause an der Wand, Kieler Nachrichten, 26.3.1988
  29. Groddek, Eckhard: Die 80er Jahre: Luckhardts Jahrzehnt?, Kieler Nachrichten, 30.12.1989
  30. Luckhardt wurde Städtetags-Chef, Kieler Nachrichten, 14.6.1986
  31. Groddek, Eckhard: "Die Politik vergibt Ämter auf Zeit", Kieler Nachrichten, 22.3.1989
  32. Groddek, Eckhard: Der Oberbürgermeister und die Parteiräson, Kieler Nachrichten, 30.4.1988
  33. dd: Opernkreuzfahrt: Ermittlungen gegen OB eingestellt, Kieler Nachrichten, 13.11.1991
  34. Hansen, Kirsten: Das Sonnenlicht der Zustimmung ist nicht das Ziel, Kieler Nachrichten, 16.7.1990
  35. Groddek, Eckhard: Der Oberbürgermeister und die Parteiräson, Kieler Nachrichten, 30.4.1988
  36. dd: Kieler Woche: Luckhardt lädt Modrow als Ehrengast ein, Kieler Nachrichten, 8.5.1990
  37. Alle Zitate aus Groddek, Eckhard: SPD zur Modrow-Einladung: Instinktlos und kompromittierend, Kieler Nachrichten, 16.5.1990
  38. ew: Hans Modrow kommt nicht zur Kieler Woche, Kieler Express, 9.6.1990
  39. dd: Bendixen fordert Luckhardts Rücktritt, Kieler Nachrichten, 17.5.1990
  40. gx/ha: CDU fiel mit Doppel-Coup gegen OB auf den Bauch, Kieler Nachrichten, 8.6.1990
  41. dd: DDR feiert, CDU schimpft und Luckhardt spielt Gitarre, Kieler Nachrichten, 5.10.1989
  42. Stüben, Heike: Trauerspiel im Rathaus, Kieler Nachrichten, 13.10.1989
  43. Beide Zitate aus uwi[Uta Wilke]: Luckhardt ist wieder da, Kieler Nachrichten, 1.3.1995
  44. Karl Heinz Luckhardt "Kleingärtner des Jahres", Kieler Nachrichten, 13.5.1985
  45. Kieler Nachrichten, 12.9.1992
  46. Jahresempfang für Gewerkschaften und Verleihung des Kieler Mitbestimmungspreises, Presseinfo auf www.kiel.de, 21.4.2010
  47. Traueranzeige der Stadt Tallinn, Kieler Nachrichten, 17.8.2019
  48. Vgl. Trauerrede Pastor Roland Weiss zur Trauerfeier am 20. August 2019 in Kiel.
  49. rd: OB Luckhardt ist spitze!, Goden Dag leewe Lüd, 1988
  50. rd: OB Luckhardt ist spitze!, Goden Dag leewe Lüd, 1988
  51. Beide Zitate aus Geise, Julius: Die 80er Jahre: Luckhardts Jahrzehnt?, Kieler Nachrichten, 30.12.1989
  52. Groddek, Eckhard: Kommentar, Kieler Nachrichten, 9.12.1989
  53. Interview des Rotkielchen mit Karl Heinz Luckhardt, zit. in Der eigene Kopf als politische Basis, Kieler Nachrichten, 7.11.1989
  54. Traueranzeige der Kieler SPD, Kieler Nachrichten, 17.8.2019
  55. Traueranzeige der SPD-Landtagsfraktion, Kieler Nachrichten, 17.8.2019
  56. Traueranzeige der Stadt Tallinn, Kieler Nachrichten, 17.8.2019