Kreisverband Kiel: Unterschied zwischen den Versionen

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== Wiederaufbau ==
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Bereits seit Januar [[1945]] trafen sich alte Mitglieder in so genannten "Stubenzirkeln", um die Wiedergründung der Partei vorzubereiten. Mit dabei waren unter anderem [[Wilhelm Kuklinski]], [[Otto Engel]] und [[Albert Witte]]. Nachdem am [[5. Mai]] britische Truppen die Stadt erreichten und den Krieg beendeten, gründeten sie wie vielerorts im Land einen Gewerkschaftsausschuss - eine "[[Antifa]]" - mit Gewerkschaftern und Kommunisten und besetzten das [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshaus]].<ref>Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959''. Malente 1998, S. 33</ref> Zur Antifa gehörten auch die früheren SPD-Funktionäre [[Bruno Diekmann]], [[Theodor Werner]] und [[Karl Ratz]] - Führungspersonen aus der Zeit vor [[1933]] standen allerdings nicht zur Verfügung. So gab es keine offensichtlichen Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters. [[Gertrud Völcker]] schlug den Österreicher [[Otto Tschadek|Dr. Otto Tschadek]] vor. Der hatte beim Wiederaufbau der SPD in Kiel mitgewirkt, wurde jedoch in seiner Heimat Wien in Abwesenheit ins Parlament gewählt und wurde später österreichischer Justizminister. So war er nur für knapp einen Monat eingesetzter Oberbürgermeister von Kiel.  
Bereits seit Januar [[1945]] trafen sich alte Mitglieder in so genannten "[[Stubenzirkeln]]", um die Wiedergründung der Partei vorzubereiten. Mit dabei waren unter anderem [[Wilhelm Kuklinski]], [[Otto Engel]] und [[Albert Witte]]. Nachdem am [[5. Mai]] britische Truppen die Stadt erreichten und den Krieg beendeten, gründeten sie wie vielerorts im Land einen Gewerkschaftsausschuss - eine "[[Antifa]]" - mit Gewerkschaftern und Kommunisten und besetzten das [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshaus]].<ref>Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959''. Malente 1998, S. 33</ref> Zur Antifa gehörten auch die früheren SPD-Funktionäre [[Bruno Diekmann]], [[Theodor Werner]] und [[Karl Ratz]] - Führungspersonen aus der Zeit vor [[1933]] standen allerdings nicht zur Verfügung. So gab es keine offensichtlichen Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters. [[Gertrud Völcker]] schlug den Österreicher [[Otto Tschadek|Dr. Otto Tschadek]] vor. Der hatte beim Wiederaufbau der SPD in Kiel mitgewirkt, wurde jedoch in seiner Heimat Wien in Abwesenheit ins Parlament gewählt und wurde später österreichischer Justizminister. So war er nur für knapp einen Monat eingesetzter Oberbürgermeister von Kiel.  


Otto Tschadek war ein ausgesprochener Gegner einer Einheitspartei aus SPD und Kommunisten, die zu dieser Zeit als Idee kursierte. Er kritisierte vor allem das Demokratieverständnis der Kommunisten: "Die Demokratie ist nicht nur ein taktisches Mittel, um zum Sozialismus zu gelangen, sie ist Teil des Zieles, für das wir kämpfen."<ref>Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959'' (Malente 1998), S. 37</ref>
Otto Tschadek war ein ausgesprochener Gegner einer Einheitspartei aus SPD und Kommunisten, die zu dieser Zeit als Idee kursierte. Er kritisierte vor allem das Demokratieverständnis der Kommunisten: "Die Demokratie ist nicht nur ein taktisches Mittel, um zum Sozialismus zu gelangen, sie ist Teil des Zieles, für das wir kämpfen."<ref>Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959'' (Malente 1998), S. 37</ref>

Version vom 26. Juni 2015, 22:40 Uhr

Der Kreisverein, später Kreisverband Kiel der SPD wurde am 4. Oktober 1945 gegründet. Er umfasst aktuell 18 Ortsvereine mit ca. 1.800 Mitgliedern.

Vorgeschichte

Hauptartikel: Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel Die Vorgängerorganisation des Kreisverbands Kiel war der Sozialdemokratische Verein Groß-Kiel, der von 1911 bis zur Zerschlagung durch die Nationalsozialisten 1933 bestand. Die Geschichte der organisierten Sozialdemokratie reicht in Kiel jedoch zurück bis 1870 oder 1871, als Stephan Heinzel begann, hier eine Organisation des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) aufzubauen.

Wiederaufbau

Spendenmarken, 1989

Bereits seit Januar 1945 trafen sich alte Mitglieder in so genannten "Stubenzirkeln", um die Wiedergründung der Partei vorzubereiten. Mit dabei waren unter anderem Wilhelm Kuklinski, Otto Engel und Albert Witte. Nachdem am 5. Mai britische Truppen die Stadt erreichten und den Krieg beendeten, gründeten sie wie vielerorts im Land einen Gewerkschaftsausschuss - eine "Antifa" - mit Gewerkschaftern und Kommunisten und besetzten das Gewerkschaftshaus.[1] Zur Antifa gehörten auch die früheren SPD-Funktionäre Bruno Diekmann, Theodor Werner und Karl Ratz - Führungspersonen aus der Zeit vor 1933 standen allerdings nicht zur Verfügung. So gab es keine offensichtlichen Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters. Gertrud Völcker schlug den Österreicher Dr. Otto Tschadek vor. Der hatte beim Wiederaufbau der SPD in Kiel mitgewirkt, wurde jedoch in seiner Heimat Wien in Abwesenheit ins Parlament gewählt und wurde später österreichischer Justizminister. So war er nur für knapp einen Monat eingesetzter Oberbürgermeister von Kiel.

Otto Tschadek war ein ausgesprochener Gegner einer Einheitspartei aus SPD und Kommunisten, die zu dieser Zeit als Idee kursierte. Er kritisierte vor allem das Demokratieverständnis der Kommunisten: "Die Demokratie ist nicht nur ein taktisches Mittel, um zum Sozialismus zu gelangen, sie ist Teil des Zieles, für das wir kämpfen."[2]

Otto Engel wird später zitiert:

"Am 4. Oktober 1945, also 14 Tage vor der Gründung unserer Partei in Hannover, fand dann im früheren Versammlungslokal des Distrikts West in Stender's Gasthof am Lehmberg die nunmehr endlich durch die Engländer gestattete Gründung der Kieler SPD statt. Dort wurde auch der erste Vorstand gewählt - von der Versammlung aller Stubengruppen der Destrikte, ungefähr 100 Personen. Die Genossen wählten Karl Ratz zum 1. Vorsitzenden, Richard Tiede zum 2. Vorsitzenden, Ernst Prey zum Kassierer, Ludwig Stahl zum Kulturleiter, Hermann Köster zum Jugendleiter, eine Frauenvorsitzende [dies war Gertrud Völcker[3]] und eine Reihe von Beisitzern. Ich wurde von der Gründungsversammlung dann auch zum hauptamtlichen Sekretär gewählt."[4]

Politische Betätigung hatte die britische Militärregierung nach der deutschen Kapitulation untersagt. Trotzdem trieb der Gewerkschaftsausschuss den Wiederaufbau der Parteistrukturen weiter voran. Erste öffentliche Veranstaltungen fanden rasch statt, so dass sich Ortsvereine und Kreisverband schon vor der offiziellen Zulassung durch die Briten Ende 1945 konstituieren konnten.

Am 6. Dezember 1945 wurde auch die erste Ratsversammlung von den Briten ernannt. Der SPD-Ratsfraktion gehörten u.a. Bruno Diekmann, Andreas Gayk, Toni Jensen und Gertrud Völcker an. Auf der politischen Tagesordnung von Partei und Fraktion standen ganz vorn die Behebung der Wohnungsnot und der wirtschaftliche Wiederaufbau, nicht zuletzt durch die Reaktivierung der Werften.[5]

Vorstand

Bis 1968 umfasste der Kreisvorstand 16 Mitglieder. Auf dem Kreisparteitag vom Januar 1969 wurde neben erforderlichen Satzungsänderungen auch der Antrag der Jungsozialisten - mit großer Mehrheit - beschlossen, den Kreisvorstand auf 7 Mitglieder zu reduzieren.[6] Heute besteht der Kreisvorstand aus 11 Mitgliedern.

Früheren Kreisvorständen gehörten u. a. Hans-Peter Bartels, Leo Langmann und Wilhelm Marschner (1960-1969) an.


Ortsvereine im Kreisverband Kiel

Zur Zeit

Ellerbek; Elmschenhagen/Kroog; Gaarden; Hassee; Holtenau; Kieler Mitte; Kiel-Süd; Kiel-Südwest; Mettenhof/Hasseldieksdamm; Neumühlen-Dietrichsdorf; Pries-Friedrichsort; Russee-Hammer; Schilksee; Steenbek-Projensdorf; Suchsdorf; Wellingdorf; West-Altstadt; Wik

Früher

u.a. Brunswik; Hammer; Hassee-Nord; Hassee-Süd; Kiel-Altstadt; Kiel-Nord; Kiel-West; Russee; Stinkviddel/Ravensberg

Kreisfrauengruppe

In der Nachkriegsorganisation wurde auch die politische Frauenarbeit wieder aufgenommen, zunächst im wesentlichen von Frauen, die auch vor dem Verbot der SPD aktiv gewesen waren. In Hassee war das etwa Dora Damm (1891-1949), die die dortige Ortsfrauengruppe bereits 1925-1933 geleitet hatte und unter den Nationalsozialisten wegen "illegaler" Betätigung in Haft gewesen war. 1952 übernahm Rosa Wallbaum (1915-2011) die Hasseer Frauengruppe und wurde auch Stellvertreterin von Frieda Bendfeldt.

Frieda Bendfeldt (1904-1983) leitete die Kreisfrauengruppe ca. 1949-1968.[7] Zwar war sie bereits 1926 der SPD beigetreten, zählte aber 1945 zu den Nachwuchsfrauen der Partei. Ihr folgte 1969 als Leiterin der Kreisfrauengruppe Trudel Hempel.

Ende der 60er Jahre veränderte sich die politische Mitwirkung der Frauen: "Daß wir nicht mehr soviel Zuspruch von jungen Frauen hatten, lag in der gesellschaftspolitischen Entwicklung. Die politische Frauenarbeit in den Parteien stützte sich auf die Hausfrauen. [...] Die berufstätigen Mütter waren nicht mehr imstande, beides zu vereinbaren: den Beruf, den Haushalt und die politische Arbeit. Es war also nicht so sehr, daß die jungen Frauen andere Inhalte wollten oder andere Formen, sondern daß sie einfach gar nicht mehr kamen. [...] Dann kam die feministische Frauenbewegung, [...] eine ganz andere Generation, die wollten ganz andere Frauenarbeit machen."[8]

Presse

In den letzten 70 Jahren hat der Kreisverband Kiel zeitweise ein eigenes Mitteilungsblatt für die Ortsvereine und Arbeitsgemeinschaften herausgegeben; 1988 hieß es der kreis. Auch eine ganze Reihe von Gruppierungen hatte eigene OV- oder Stadtteilzeitungen. Aus einem Schreiben des Kreisgeschäftsführers vom August 2002 lassen sich folgende Titel entnehmen:

Nicht enthalten sind dort

Zur Zeit erscheinen unregelmäßig der Poggendörper (ausschließlich im Internet), Blick vom Ravensberg und die Suchsdorfer Rundschau (in der Regel zu Wahlen) sowie das 2014 wieder aufgenommene Rund um den Kreienbarg. Die einzigen seit vielen Jahren regelmäßig erscheinenden Zeitschriften sind Unser RUSSEE und das Rotkielchen.

Eine Reihe dieser Publikationen findet sich heute - ganz oder teilweise - im Stadtarchiv (vgl. Sozialdemokratische Zeitungen), viele liegen auch noch in alten Sammlungen vergraben bei Mitgliedern zu Hause. Es wäre gut, wenn sie zumindest zum Scannen zur Verfügung gestellt würden, da sie oft Informationen über den Ortsverein enthalten, die nirgendwo sonst zu finden sind. Bitte kontaktiert den Webmaster des Arbeitskreises Geschichte des Kreisverbandes, wenn ihr über solches Material verfügt.

Parteijubiläum

Zum 150jährigen Bestehen der SPD im Jahr 2013 gab es von Gruppierungen und Personen aus dem Kreisverband eine Reihe von Aktionen, zum Teil verbunden mit dem Kommunalwahlkampf. Sie sind auffindbar unter Kreisverband Kiel - 150 Jahre SPD.

Literatur

  • Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  • Fischer, Rolf: "Der Bahn, der kühnen, folgen wir ...". Stephan Heinzel und der Aufstieg der Kieler SPD (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band I, 1863-1900)(Malente 2010) ISBN 3-933862-42-6
  • Fischer, Rolf: Mit uns die neue Zeit! Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2, 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4

Links

Quellen

  1. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959. Malente 1998, S. 33
  2. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), S. 37
  3. Gertrud Völcker: Erinnerungen - 50 Jahre Öffentlichkeitsarbeit, Bd. I (Unveröff. Typoskript, Kiel 1974), S. 47
  4. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): 1863-1978. 115 Jahre Sozialdemokratie. Festschrift der Kieler Sozialdemokraten (Kiel 1978)
  5. Kreisvorsitzender Rolf Fischer 2005 in seiner Rede zur Mitgliederehrung und zur Erinnerung an die Wiedergründung der Partei 1945.
  6. Kieler Nachrichten, 06.01.1969
  7. Kieler Nachrichten, 17.07.1969
  8. Kalweit, Susanne (Hg.): "Ich hab mich niemals arm gefühlt". Die Kielerin Rosa Wallbaum berichtet aus ihrem Leben (Berlin/Hamburg 2010), S. 151 f.