Frauen- und Gleichstellungspolitik

Aus SPD Geschichtswerkstatt

[[Datei:{{#setmainimage:Frauenwahlrecht 1914.jpg}}|thumb|right|250px|Plakat zum Frauenwahlrecht, 1914]]Frauen- und Gleichstellungspolitik ist seit Bebels Frau - seinem Buch Die Frau und der Sozialismus von 1879 - immer ein Thema gewesen, in der Gesamtpartei und in Schleswig-Holstein. Die nachfolgende kleine Chronik zeigt einerseits, dass der Fortschritt - auch in den Köpfen der SPD - häufig eine Schnecke ist. Andererseits belegt sie, dass es ihn gab, dass die SPD neue Ideen aufgriff und dass Deutschlands älteste Partei oft auch die fortschrittlichste ist. Nicht zuletzt wird sichtbar, dass Schleswig-Holstein mehr als einmal an der Spitze dieses Fortschritts gestanden hat und die Veränderung vorantreibt.

Zunächst allerdings kam der Fortschritt von außen. Schon 1867, noch vor dem Sozialistengesetz, versuchte die Leiterin des Hamburger Frauenvereins, Frau Hetzel, auch in Schleswig-Holstein Frauen zusammenzuführen. Es bildete sich jedoch nur in Preetz eine Frauengruppe unter der Leitung von Adamina Quisdorf.[1][2]

In ihrem Eisenacher Programm von 1869 forderte die SDAP zum ersten Mal die Einschränkung der Frauenarbeit, eine Forderung, die sich von nun an in der einen oder anderen Form durch alle Parteiprogramme zieht.


Kaiserreich 19. Jh.

  • 1875 - Im Gothaer Programm forderte die Partei schon das Verbot aller die "Gesundheit und Sittlichkeit schädigenden Frauenarbeit".
  • 1879 - August Bebel veröffentlichte sein bekanntestes Werk Die Frau und der Sozialismus
  • 1882 - Aus den "Vertrauensmännern" in der SPD wurden Vertrauenspersonen - sie ermöglichten es Frauen, sich trotz des Verbots der politischen Betätigung zu organisieren.
  • 1891 - In ihrem Erfurter Programm forderte die SPD die "Abschaffung aller Gesetze, welche die Frau in öffentlich- und privatrechtlicher Beziehung gegenüber dem Manne benachteiligen."
  • 1892 - Im Januar verfügt der Regierungspräsident in Schleswig-Holstein, "... daß nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 1890 den Zusammenkünften der dem §8 des Vereinsgesetzes vom 11. Mai 1850 unterliegenden Vereine Frauen auch dann nicht beiwohnen dürfen, wenn die Zusammenkünfte anderen Zwecken als den politischen Erörterungen dienen sollen. Die Abhaltung von Bällen und anderen Vergnügungen mit Frauen kommt daher für diese Vereine überhaupt nicht in Frage." Feiern von politischen Vereinen, an denen auch Frauen teilnähmen, seien polizeilich aufzulösen. Als der Arbeiterbildungsverein Ellerbek Anfang 1892 sein Stiftungsfest feiern wollte, drohte das Verbot. Der Vorstand meldete daraufhin ein "Männerkränzchen" an. Die Frauen saßen während der Feier im Saal nebenan. Zunächst wollte die Polizei sie auch dort vertreiben, unterließ dies aber.[3]
  • 1893 - Gründung des Bildungsvereins der Frauen und Mädchen Kiels. Nach einem ersten Aufschwung versandeten die Aktivitäten aber bald, da sich die Frauen nicht mit politischen Themen befassen durften, die sie eigentlich interessierten.[4]

Kaiserreich 20. Jh.

  • 1902 - Frauen wurde es gestattet, an Versammlungen politischer Vereine teilzunehmen - allerdings nur als Zuhörerinnen und nur in einem abgetrennten Raum. Die Polizei hatte gelegentlich Mühe, sich an das neue Recht zu halten: Bei einer Versammlung im [[|Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kieler]] "Elysium" saßen die Frauen auf der Galerie. Sie wurde daraufhin polizeilich aufgelöst. Erst nach einer Beschwerde über das Verhalten der Polizei durften auch in Kiel Genossinnen an Versammlungen teilnehmen.[5]
  • 1908 - Frauen erhielten das Recht, Mitglieder in Vereinen zu werden und sich politisch zu engagieren. Am 1. Oktober 1908 traten allein in Kiel 700 Frauen, die sich bisher nur durch freiwillige Zahlungen zur Sozialdemokratie bekennen konnten, in die SPD ein.[6] Im selben Jahr kam Luise Zietz als erste Frau in den SPD-Parteivorstand.
  • 1909 - Der Bezirksparteitag 1909, Wandsbek beschloss, dass mindestens eine Frau Beisitzerin im Landesvorstand sein müsse:

    "Die Agitationskommission besteht aus einem besoldeten Beamten, der auch die Kassengeschäfte zu führen hat, einem Vertreter der Parteizeitung und 5 Beisitzern, unter welchen mindestens eine Genossin sein muss."[7]

  • 1912 - Am 12. Mai verabschiedete die SPD Elmshorn folgende Resolution:

    "Die Forderung des Frauenrechts findet ihre beste Begründung in der Revolutionierung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse durch den Kapitalismus. Die Leistungen der Frauen in Industrie und Landwirtschaft, im Handel und Verkehrswesen, die Pflichten, die sie erfüllen als Mütter und Hausfrauen, geben ihnen einen berechtigten Anspruch auf soziale und politische Gleichberechtigung. Die Frauen fordern das Wahlrecht, um ihre Interessen selbst schützen zu können. Die am 12. Mai in Elmshorn Versammelten erklären deshalb, daß sie sich zur Erringung des Frauenwahlrechts in die Reihen der Sozialdemokratie stellen wollen und mit Energie und Ausdauer für die Erringung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts zu allen öffentlichen, rechtlichen und politischen Vertretungskörpern für die über 20 Jahre alten Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts zu kämpfen. Die Sozialdemokratische Partei ist die einzige politische Partei, die als konsequente Verkämpferin für das volle Bürgerrecht des Weibes anzusprechen ist."[8]

Weimarer Republik

  • 12. November 1918 - Der revolutionäre Rat der Volksbeauftragten verkündete das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht in Deutschland für alle Personen, die das 20. Lebensjahr vollendet hatten. Damnit war das Frauenwahlrecht durchgesetzt. Am 30. November trat das Reichswahlgesetz in Kraft.
  • 19. Januar 1919 - 37 Frauen wurden neben 386 Männern in die Weimarer Nationalversammlung gewählt, darunter 19 Sozialdemokratinnen, aus Schleswig-Holstein Louise Schroeder. Wilhelmine Kähler trat in Ostpreußen an, Luise Zietz, die noch der USPD angehörte, in Berlin.
  • 1921 - Ins Görlitzer Programm wurden das Verbot der Nachtarbeit für Frauen und das Verbot der Arbeit von Frauen in besonders gesundheitsschädlichen Betrieben sowie an Maschinen mit besonderer Unfallgefahr aufgenommen. Es betonte das allgemeine Recht der Frauen auf Erwerbsarbeit und forderte die "Mitwirkung der Frauen in allen Justizämtern".
  • 1925 - Alma Wartenberg gehörte als einzige Frau dem schleswig-holsteinischen Provinziallandtag an. Das Heidelberger Programm enthielt die Forderungen nach "Gleichstellung der Frau mit dem Manne" und "gleiches Recht der Frauen auf Erwerbsarbeit".
  • 1927 - Reichsparteitag 1927 in Kiel. In seiner Eröffnungsrede sagte Otto Eggerstedt: "Unsere Bewegung, die die Gleichberechtigung aller Menschen erstrebt, ist nie einseitig eine Bewegung der Männer gewesen; sie hat immer im gleichen Maße auch die Frauen erfaßt. Gerade bei uns wird die Bewegung getragen von der ganzen Familie. Die Frauen sind erfaßt, und durch die Frauen die Kinder. In den Frauen haben wir erfaßt die Mütter, die Bildner der Jugend."[9] Im Anschluss an den Parteitag fand vom 27.-29. Mai die Frauenkonferenz statt.

Bundesrepublik Deutschland

  • 1949 - Elisabeth Selbert schaffte es nahezu im Alleingang, Gleichberechtigung in Artikel 3 des Grundgesetzes zu verankern. Schnörkellos heißt es dort: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Ohne jede Einschränkung, ohne Gesetzesvorbehalt. Einige Verfassungsjuristen vermuteten, dass dieser Artikel weitreichende Wirkungen auslösen würde. "Wenn das sofort gilt, dann können wir unser BGB in die Tonne kloppen", raunte man unter den Familienrechtlern; im Familienrecht des BGB existierten die deutlichsten Beschränkungen der Frauenrechte.[10] Leider gab es dann doch weitreichende - und nach ihrem Auslaufen zunächst unbeachtete - Übergangsregelungen.
  • 1959 - Das Godesberger Programm bekräftigte die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen: "Die Gleichberechtigung der Frau muß rechtlich, sozial und wirtschaftlich verwirklicht werden. Der Frau müssen die gleichen Möglichkeiten für Erziehung und Ausbildung, für Berufswahl, Berufsausübung und Entlohnung geboten werden wie dem Mann. Gleichberechtigung soll die Beachtung der psychologischen und biologischen Eigenarten der Frau nicht aufheben. Hausfrauenarbeit muß als Berufsarbeit anerkannt werden. Hausfrauen und Mütter bedürfen besonderer Hilfe. Mütter von vorschulpflichtigen und schulpflichtigen Kindern dürfen nicht genötigt sein, aus wirtschaftlichen Gründen einem Erwerb nachzugehen."[11]
  • 1965 - Laut Rechenschaftsbericht der SPD Schleswig-Holstein für die Jahre 1965/66 lag der Frauenanteil im Landesverband zur dieser Zeit bei 25% und damit nach Berlin und Hamburg an dritter Stelle. Rosa Wallbaum, Referentin für Frauenarbeit, analysierte:

    "Wenn aber der Überschuss von 134.200 wahlberechtigten Frauen in Betracht gezogen wird, so erhebt sich die begründete Frage, warum die SPD, die seit ihrem Bestehen für eine Gesellschaftsordnung eingetreten ist, in der Frauen gleichberechtigt sind, nicht eigentlich eine "Frauenpartei" ist. Liegt es nur daran, daß auch heute noch die meisten Frauen eine Scheu besitzen, sich politisch zu engagieren, oder wurde bisher nicht verstanden, allen Staatsbürgern, auch den Frauen, bewußt zu machen, daß politisches Interesse und parteipolitische Betätigung zu den wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft zählen?
    Sicher wirkt sich auch hier die Vergangenheit negativ aus. Die Hoffnung muß auf die jüngere Generation gesetzt werden. Hier liegen die Ansatzpunkte für die Arbeit in den Frauengruppen, die nicht einem Selbstzweck dienen. Es ist festzustellen, daß viele jüngere Frauen der Partei beitreten, um im Ortsverein mitzuarbeiten, es aber ablehnen, sich ebenfalls in der Frauengruppe zu betätigen. In mehreren aktiven Ortsvereinen bestehen keine Frauengruppen, weil die Frauen in die allgemeine Arbeit des Ortsvereins integriert sind.
    Das ist seit jeher das Ziel der Frauengruppenarbeit gewesen!
    Es haben verschiedene Gründe zur Bildung besonderer Frauengruppen geführt und sicher haben einige auch heute noch Gültigkeit. Es gibt sowohl im familiären wie im gesellschaftlichen Bereich kaum Probleme, die ausschließlich Frauen betreffen, sondern lediglich Differenzierungen. Im allgemeinen gehen die Frauen auch an 'die Politik' anders heran als die Männer es seit Generationen zu tun gewohnt sind. Frauen sind eher bereit, im internen Kreis von Frauen ihre Meinung zu äußern. Hier erwerben sie die Sicherheit, sich auch in einer Versammlung des Ortsvereins an der Diskussion zu beteiligen.
    Wenn wir heute, wie vor 60 Jahren, für den Bestand der Frauengruppen eintreten, wenn wir sie pflegen und nach Bedarf neue gründen, dann geschieht es in der Überzeugung, daß auch heute noch viele weibliche Parteimitglieder die Unterstützung durch die Frauengruppen brauchen.
    Wie auch immer sich die Frauen künftig politisch entscheiden und engagieren, wird von der Umwelt - sprich: Männer, beeinflußt werden. Es ist leider nicht so, daß alle Frauen sich der Gleichberechtigung voll bewußt sind. In der SPD sind Männer und Frauen gleichermaßen verpflichtet, vorbildlich zu handeln und aufklärend zu wirken."[12]

  • 1969 - Anny Trapp wurde Kreispräsidentin im Kreis Eutin - die einzige Frau und die einzige Sozialdemokratin in Schleswig-Holstein zu dieser Zeit.
  • 1970 - Die Ratsversammlung in Kiel wählte Ida Hinz zur bundesweit ersten weiblichen Stadtpräsidentin. Am 10. Januar 1970 wurde die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) in Schleswig-Holstein gegründet. Zur ersten Vorsitzenden wird Elisabeth Orth gewählt.[13] Die Regierung Brandt sorgte dafür, dass Frauen endlich das Sorgerecht für ihre nichtehelichen Kinder erhielten.[14]
  • 1972 - Annemarie Renger wurde erste weibliche Bundestagspräsidentin - sie war bis 1969 über die schleswig-holsteinische Landesliste in den Bundestag eingezogen. Im selben Jahr wurde die Gründung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) auf Bundesebene beschlossen.[15]
  • 1973 - 1. AsF-Bundeskonferenz[16]
  • 1979 - Die SPD stellte mit Annemarie Renger um ersten Mal in der deutschen Geschichte eine weibliche Kandidatin für das höchste Staatsamt auf. Zum Bundespräsidenten gewählt wurde ihr Mitbewerber Karl Carstens (CDU).
  • 1981 - Der Landesparteitag 1981, Bad Segeberg beschloss Politische Leitsätze zur Gleichstellung von Männern und Frauen.
  • 1983 - Björn Engholm präsentierte zur Landtagswahl 1983 ein Team aus vier Männern und vier Frauen. Die Frauen sind unter anderem Ursula Engelen-Kefer und die Journalistin Sophie Behr[17]. Lianne Paulina-Mürl übernahm als erste Frau den stellvertretenden Landesvorsitz.
  • 1984 - Auf Initiative von Lianne Paulina-Mürl wurde das SPD-Frauenbüro Schleswig-Holstein eingerichtet, weil die CDU-Regierung keine Notwendigkeit für eine Frauenministerin oder auch nur Frauenbeauftragte sah.
  • 1985 - Die SPD Schleswig-Holstein beschloss die Geschlechterquote.
  • 1988 - Nach 38 Jahren Opposition wurde die SPD wieder zur Regierungspartei gewählt. Ministerpräsident Björn Engholm quotierte sein Kabinett. Vier Ministerien wurden - damals bundesweit einmalig - von Frauen geführt. Neu war auch das Frauenministerium, das Gisela Böhrk übernahm, weil Lianne Paulina-Mürl Landtagspräsidentin wurde.[18] In seiner Regierungserklärung sagte Björn Engholm: "Die Gleichstellung der Frauen ist kein politisches Entgegenkommen der Politik an die Frauen, sondern eine historisch überfällige Selbstverständlichkeit." Auf Bundesebene wurde Herta Däubler-Gmelin als erste Frau stellvertretende Parteivorsitzende.
  • 1989 - Das Berliner Programm war das erste Grundsatzprogramm der SPD, in dem der Gleichstellung ein ganzes Kapitel gewidmet war und das Thema nicht mit Familie, Kindern oder Jugendlichen verknüpft wurde: "Wir wollen eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleich, frei und solidarisch miteinander leben. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer nach eigener Wahl in allen Bereichen der Gesellschaft wirken, ihnen nach Haus-, Familien- und Erwerbsarbeit Zeit und Kraft bleibt für Bildung, Kunst, Sport oder gesellschaftliches Engagement. Wir wollen eine Gesellschaft, die nicht mehr gespalten ist in Menschen mit angeblich weiblichen und angeblich männlichen Denk- und Verhaltensweisen, in der nicht mehr hochbewertete Erwerbsarbeit Männern zugeordnet, unterbewertete Haus- und Familienarbeit Frauen überlassen wird, in der nicht mehr eine Hälfte der Menschen dazu erzogen wird, über die andere zu dominieren, die andere dazu, sich unterzuordnen. Immer noch ist die herrschende Kultur männlich geprägt, ist das Verfassungsgebot der gesellschaftlichen Gleichheit von Mann und Frau nicht verwirklicht, sind Frauen stärker von Armut betroffen, werden Frauen in Ausbildung und Beruf benachteiligt, werden sie in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst, in Politik und Medien zurückgesetzt, wird ihnen der private Bereich, Hausarbeit und Kindererziehung zugewiesen, wird die Rolle, die Frauen in der Geschichte spielten, unterschlagen oder verfälscht, werden Zeitabläufe und Organisationsformen von Erwerbsarbeit und ehrenamtlicher Tätigkeit durch männliche Bedürfnisse bestimmt, werden Frauen Opfer männlicher Gewalt, wird ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung mißachtet. Doch das Bewußtsein der Frauen ändert sich rasch. Schmerzhafter als die meisten Männer erfahren sie, daß beide, Frau und Mann, ständig einen Teil ihrer Wünsche, Möglichkeiten und Fähigkeiten unterdrücken. Viele Frauen gehen an gegen eine von Männern gestaltete Welt und gegen Männer, die diese erhalten wollen. Auch bei Männern wächst die Einsicht, daß die angeblich männliche Unterordnung von Gefühl und Phantasie unter Rationalität und Durchsetzungskraft sie ärmer oder gar krank macht. Unter der Spaltung zwischen männlicher und weiblicher Welt leiden beide, Frauen und Männer. Sie deformiert beide, entfremdet beide einander. Diese Spaltung wollen wir überwinden. Wir fangen bei uns selbst an. Der rechtlichen Gleichstellung muß die gesellschaftliche folgen. Dies bedeutet nicht die Integration der Frau in eine Männerwelt, sondern die Umgestaltung der Gesellschaft. Erziehung soll junge Menschen auf diese Gesellschaft vorbereiten. Sie muß helfen, die Spaltung in eine männliche und eine weibliche Welt zu überwinden und die starren Rollenmuster zu durchbrechen, die diese Spaltung immer neu verfestigen. Wir müssen die Arbeit neu bewerten und anders verteilen. Wer nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Haus-, Familien- und Eigenarbeit gerecht verteilen will, muß vorrangig die tägliche Arbeitszeit verkürzen. Wir erstreben als Regel zunächst den sechsstündigen Arbeitstag in der Fünf-Tage-Woche, damit Frauen und Männer Erwerbsarbeit, Haus- und Familienarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit und kulturelle Teilhabe besser miteinander verbinden können. Wir brauchen ein Gleichstellungsgesetz, ein Ende der Lohndiskriminierung, Förderpläne für Frauen im Beruf, Gleichstellung im Sozialversicherungs- und Beamtenrecht durch eigenständige Ansprüche und Hilfen für die Wiedereingliederung in den Beruf. Mutterschutz, Ausfallzeiten für Elternurlaub und Krankenpflege müssen über einen Familienlastenausgleich finanziert werden, damit nicht Sonderlasten für Einzelbetriebe zum Arbeitsplatzrisiko für Frauen werden. Öffentliche Finanzhilfen und Aufträge müssen davon abhängig gemacht werden, daß Gleichstellung verwirklicht ist. Kindertagesstätten und Ganztagsschulen gehören zu den Voraussetzungen dafür, daß Erwerbs- und Familienarbeit für Männer und Frauen vereinbar werden. Neue Wohnformen, dezentrale soziale Dienste für Kinder und Alte, Kranke und Behinderte sollen helfen, Familienarbeit aus ihrer Isolierung zu lösen. Bei ehrenamtlichen Tätigkeiten in Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden, als Laienrichterinnen, Aufsichtsratsmitglieder oder Elternvertreterinnen müssen Frauen die gleichen Beteiligungsmöglichkeiten haben wie Männer. In allen Gremien sollen Frauen und Männer je zur Hälfte vertreten sein; wo Überzeugungsarbeit dies nicht erreicht, sind gesetzliche Vorschriften nötig. Zur Gleichstellung in der Politik kann es notwendig werden. Wahlsysteme in Bund, Ländern und Gemeinden zu ändern. Die Zukunft verlangt von uns allen, Frauen und Männern, vieles, was lange als weiblich galt; wir müssen uns in andere einfühlen, auf sie eingehen, unerwartete Schwierigkeiten mit Phantasie meistern, vor allem aber partnerschaftlich mit anderen arbeiten. Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden."
  • 1990 - Im Rechenschaftsbericht hieß es: "Erfreulich ist, daß der Anteil der Frauen an der Mitgliedschaft weiter gesteigert werden konnte. Betrug der Frauenanteil zum 01.01.1988 30,68 Prozent (absolut: 11 627), stieg er auf 31,21 Prozent zum 01.01.1989 (absolut: 12 038) und beträgt nunmehr zum 01.01.1991 32,33 Prozent (absolut: 12 541)."[19]
  • 1993 - Heide Simonis setzte sich in einem internen Machtkampf gegen Norbert Gansel durch und wurde als Nachfolgerin des zurückgetretenen Björn Engholm Deutschlands erste weibliche Ministerpräsidentin. Für lange Zeit blieb sie die einzige.
  • 1994 - Gleichstellungsgesetz Schleswig-Holstein. Mit Cornelie Sonntag-Wolgast führte erstmals eine Frau als Spitzenkandidatin die Liste zur Bundestagswahl an.
  • 1996 - Nach der Landtagswahl 1996 wurden die Koalitionsverhandlungen sowohl auf Seiten der SPD als auch von den Grünen von jeweils zwei Frauen geleitet.
  • 1999 - Wählerinneninitiative "Heide hats" - Starke Frauen für Heide Simonis zur Landtagswahl 2000.
  • 2000 - Der Regierung von Heide Simonis gehörten erstmals in Deutschland mehr Frauen als Männer an.
  • 2011 - Die SPD Schleswig-Holstein beschloss das Reißverschlussverfahren für Listenaufstellungen.
  • 2015 - Der Landesparteitag 2015, Neumünster wählte mit Bettina Hagedorn und Christiane Küchenhof zum ersten Mal zwei weibliche stellvertretende Vorsitzende. Damit bildeten mehr Frauen als Männer den Landesvorstand.
  • 2017 - Auf dem Landesparteitag in Lübeck kandidierte Karin Thissen auf der Liste zur Bundestagswahl gegen Matthias Ilgen und errang einen Platz, der laut Reißverschluss für einen Mann vorgesehen war. Allerdings war die vom Landesvorstand vorgelegte Liste nicht durchgängig quotiert, sondern enthielt schon einen Mann auf einem Frauenplatz.
  • 2017 - Die Landtagsfraktion wählte nach der Landtagswahl Frauen zur Parlamentarischen Geschäftsführerin, zur Landtagsvizepräsidentin und zu Sprecherinnen von vier der sieben fraktionsinternen Arbeitskreise.

Fotos

Literatur

Quelle

  1. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963])
  2. Döll-Krämer, Inge / Krämer, Gerd / Vesper, Ingrid: "Sozialdemokratische Frauens- und Vertrauenspersonen in Altona vor 1914, Demokratische Geschichte, Band 7
  3. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  4. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  5. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  6. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  7. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
  8. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
  9. Protokoll des Parteitags
  10. Wettig-Danielmeier, Inge: Vor 40 Jahren: Eva Rühmkorf wird Deutschlands erste Gleichstellungsbeauftragte, 1. Januar 2019
  11. Godesberger Programm, beschlossen vom Außerordentlichen Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Bad Godesberg vom 13. bis 15. November 1959
  12. Rechenschaftsbericht 1965-1966
  13. Rechenschaftsbericht 1969-1971
  14. Faerber-Husemann, Renate: Von August Bebel bis heute: Die SPD ist die Partei der Frauenrechte, 17.12.2018
  15. Wettig-Danielmeier, Inge: Vor 40 Jahren: Eva Rühmkorf wird Deutschlands erste Gleichstellungsbeauftragte, 1.1.2019
  16. Wettig-Danielmeier, Inge: Vor 40 Jahren: Eva Rühmkorf wird Deutschlands erste Gleichstellungsbeauftragte, 1.1.2019
  17. DER SPIEGEL 10/1983: Quer zum Kurs
  18. Engholms Viererbande In: DIE ZEIT, 20.5.1988
  19. SPD Schleswig-Holstein - Rechenschaftsbericht 1989-1990