Kreisverband Kiel

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Kreisverein, später Kreisverband Kiel der SPD wurde am 4. Oktober 1945 gegründet. Er umfasst aktuell 18 Ortsvereine mit ca. 1.800 Mitgliedern.

Vorgeschichte

Hauptartikel: Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel Die Vorgängerorganisation des Kreisverbands Kiel war der Sozialdemokratische Verein Groß-Kiel, der von 1911 bis zur Zerschlagung durch die Nationalsozialisten 1933 bestand. Die Geschichte der organisierten Sozialdemokratie reicht in Kiel jedoch zurück bis 1870 oder 1871, als Stephan Heinzel begann, hier eine Organisation des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) aufzubauen.

Wiederaufbau

Bereits seit Januar 1945 trafen sich alte Mitglieder in so genannten "Stubenzirkeln", um die Wiedergründung der Partei vorzubereiten. Mit dabei waren unter anderen Wilhelm Kuklinski, Otto Engel und Albert Witte. Nachdem am 5. Mai britische Truppen die Stadt erreichten und den Krieg beendeten, gründeten die Kieler Genossinnen und Genossen wie vielerorts im Land einen Gewerkschaftsausschuss - eine "Antifa" - mit Gewerkschaftern und Kommunisten und besetzten das Gewerkschaftshaus.[1] Zur Antifa gehörten auch die früheren SPD-Funktionäre Bruno Diekmann, Theodor Werner und Karl Ratz - Führungspersonen aus der Zeit vor 1933 standen allerdings nicht zur Verfügung. So gab es keine offensichtlichen Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters. Gertrud Völcker schlug den Österreicher Otto Tschadek vor. Der hatte beim Wiederaufbau der SPD in Kiel mitgewirkt, wurde jedoch in seiner Heimat Wien in Abwesenheit ins Parlament gewählt und wurde später österreichischer Justizminister. So war er nur für knapp einen Monat eingesetzter Oberbürgermeister von Kiel.

Otto Tschadek war ein ausgesprochener Gegner einer Einheitspartei aus SPD und Kommunisten, die zu dieser Zeit als Idee kursierte. Er kritisierte vor allem das Demokratieverständnis der Kommunisten: "Die Demokratie ist nicht nur ein taktisches Mittel, um zum Sozialismus zu gelangen, sie ist Teil des Zieles, für das wir kämpfen."[2] Diese Haltung teilte er mit Andreas Gayk und Kurt Schumacher, der von Hannover aus die Führung der Partei in den Westzonen übernahm. Über ihn berichtete Otto Engel, er habe bei einem Besuch bei Karl Ratz in Kiel gesagt: "In den Betrieben kann mit Kommunisten nicht lange gefackelt werden, es muß im rechten Augenblick ein Schraubenschlüssel geflogen kommen."[3]

Die führenden Kieler Genossen hatten zunächst Neigung gehabt, die Spaltung der Arbeiterbewegung zu beenden und sich der Haltung von Otto Grotewohl und Gustav Dahrendorf in Berlin anzuschließen. Sie hatte sogar eine gemeinsame Erklärung mit den Kommunisten veröffentlicht. Dies änderte sich kurz darauf unter dem Einfluss von Schumacher und Gayk.

Otto Engel

Otto Engel berichtete über die Wiedergründung:

"Am 4. Oktober 1945, also 14 Tage vor der Gründung unserer Partei in Hannover, fand dann im früheren Versammlungslokal des Distrikts West in Stender's Gasthof am Lehmberg die nunmehr endlich durch die Engländer gestattete Gründung der Kieler SPD statt. Dort wurde auch der erste Vorstand gewählt - von der Versammlung aller Stubengruppen der Distrikte, ungefähr 100 Personen. Die Genossen wählten Karl Ratz zum 1. Vorsitzenden, Richard Tiede zum 2. Vorsitzenden, Ernst Prey zum Kassierer, Ludwig Stahl zum Kulturleiter, Hermann Köster zum Jugendleiter, eine Frauenvorsitzende [dies war Gertrud Völcker[4]] und eine Reihe von Beisitzern. Ich wurde von der Gründungsversammlung dann auch zum hauptamtlichen Sekretär gewählt."[5]

Die britische Militärregierung hatte nach der deutschen Kapitulation jegliche politische Betätigung untersagt. Trotzdem trieb der Gewerkschaftsausschuss den Wiederaufbau der Parteistrukturen weiter voran. Erste öffentliche Veranstaltungen fanden rasch statt, so dass sich Ortsvereine und Kreisverband schon vor der offiziellen Zulassung durch die Briten Ende 1945 konstituieren konnten.

Am 6. Dezember 1945 wurde auch die erste Ratsversammlung von den Briten ernannt. Der SPD-Ratsfraktion gehörten u.a. Bruno Diekmann, Andreas Gayk, Toni Jensen und Gertrud Völcker an. Auf der politischen Tagesordnung von Partei und Fraktion standen ganz vorn die Behebung der Wohnungsnot und der wirtschaftliche Wiederaufbau, nicht zuletzt durch die Reaktivierung der Werften.[6]

Die Ära Gayk

Andreas Gayk, 1950

In den Nachkriegsjahren war Andreas Gayk die dominante Figur der SPD in Kiel und in ganz Schleswig-Holstein: SPD Landesversitzender, Vorsitzender der Landtagsfraktion und Kieler Oberbürgermeister in einer Person. Er organisierte den Wiederaufbau von Kiel - Die Stadt war als "Reichskriegshafen" von 90 britischen Luftangriffen großflächig zerstört worden. Es gab kaum Wohnraum für die in die Stadt zurückdrängenden Evakuierten und die täglich eintreffenden Flüchtlingstransporte.

Zerstörtes Kiel, 1944

Die Wirtschaft war schon seit der Kaiserzeit hauptsächlich Kriegswirtschaft gewesen, zum großen Teil Schiffbau und Zulieferbetriebe. Was nach dem 2. Weltkrieg an Industrieanlagen noch übrig war, sollte demontiert und nach Großbritannien gebracht werden. Es gab durchaus Pläne, Kiel in ein kleines "Fischerdorf" zurückzuschrumpfen.[7].

Andreas Gayk und sein Oberstadtdirektor Walther Lehmkuhl organisierten den Widerstand gegen die Demontage der Industriebetriebe durch die Briten. Sie sorgten dafür, das nach und nach zivile Betriebe nach Kiel zogen. Die Universität wurde wieder eröffnet. Unter Andreas Gayk wurde Kiel schneller von Trümmern geräumt als viele andere Städte in Deutschland. Gemeinsam mit dem Pinneberger Landrat Walter Damm ließ Andreas Gayk die Trümmerfelder von Schülerinnen und Schülern bepflanzen.

Er initiierte eine Städtefreundschaft mit der ebenfalls schwer zerstörten englischen Stadt Coventry und ließ die Kieler Woche als Friedensveranstaltung wiederaufleben.

In dieser Zeit ist Karl Ratz SPD Kreisvorsitzender. Auf seinen Namen läuft die Lizenz der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung, die nach dem Ende des Krieges wieder auflebt.

1954 starb Andreas Gayk.

1965 wird Günther Bantzer Oberbürgermeister und bleibt das 15 Jahre lang, bis 1980.

Zur Kommunalwahl 1970 gibt es einen Generationenwechsel in der SPD Kiel. Der damalige Kieler Kreisvorsitzende Karl Heinz Luckhardt schreibt 1978:

"Zur Kommunalwahl am 24. März 1970 (sic!) trat die SPD [in Kiel] mit einer Mannschaft an, die wenige altbekannte Persönlichkeiten enthielt als in den Wahlen davor. Parteiintern wurde die Befürchtung geäußert, daß damit das Wahlergebnis von 1966 kaum verbessert werden kann. Ich hatte als neuer Spitzenkandidat nicht denselben Bekanntheitsgrad wie der Genosse Hermann Köster in seiner Rolle als Stadtpräsident. Was kaum jemand erwartet hatte, trat ein: Mit 53,6% der Stimmen und 30 von 49 Sitzen erreichte die SPD in Kiel das beste Kommunalwahlergebnis seit Kriegsende.
Ida Hinz

Eine der Neulinge war Heide Simonis. Die späterer Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein tritt 1971 mit 28 Jahren ihr erstes, öffentliches Amt als Ratsfrau an. Und noch eine Innovation gibt es: Die Kieler Ratsversammlung wählt die Sozialdemokratin Ida Hinz zu bundesweit ersten Stadtpräsidentin.

IGS Kiel-Friedrichsort, 1975

Am 27. August 1970 beschloss die Ratsversammlung auf der Grundlage der SPD-Vorstellungen zur Reform der Bildungspolitik die Einrichtung einer ersten "Integrierten Gesamtschule" in Kiel-Friedrichsort - landesweit war es erst die zweite Schule dieser Art. In mühseligen Verhandlungen musste sie der CDU-Landesregierung abgetrotzt werden. Karl Heinz Luckhardt schreibt 1978:

"Nach den Vorstellungen der Kieler Sozialdemokraten ist die "Integrierte Gesamtschule Kiel-Friedrichsort Modell für die Neugliederung des Schulwesens in der Landeshauptstadt. Wir halten diese Schulform für das System, das Freiheit, Gleichheit und Solidarität - und damit gleiche Lebenschancen - verwirklichen kann. Die ersten sehr guten Erfahrungen haben gezeigt, wie man aus der bildungspolitischen Sackgasse des dreigliedrigen Schulsystems herauskommen kann."[8]

Die IGS Kiel-Friedrichsort wird 1975 eingeweiht. Der Schulneubau bietet 42 Klassen mit 1260 Schülern Platz.

Die Olympischen Spiele 1972

Olympisches Feuer in Schilksee

Die Olympischen Spiele 1972 gaben Kiel einen großen Schub für Stadtentwicklung und Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz, denn sie löste eine rege Bautätigkeit aus. Unter anderem wurden das Olympiazentrum in Schilksee, die Kiellinie und der ZOB gegenüber vom Hauptbahnhof gebaut, im Kieler Opernhaus die letzten kriegsbedingten Einschränkungen beseitigt und der Alte Markt an der Nikolaikirche zur Fußgängerzone umgestaltet. Außerdem erhielt Kiel endlich eine Autobahnanbindung. Die SPD Kiel und ihr Oberbürgermeister Günther Bantzer trieben die Olympia-Bewerbung maßgeblich voran und gestalteten die Modernisierung der Stadt.

So schätzt Günther Bantzer diese Entwicklung ein:

"Die ganzen Investitionen mit Hilfen von Bund und Land haben Kiel auf einen Schlag um Jahrzehnte vorangebracht. Aus der Provinzstadt wurde plötzlich so etwas ähnliches wie eine Metropole."[9]

Die Ausrichtung der Wettbewerbe begründete Kiels internationalen Ruf als führende Segelstadt.[10]

1990er Jahre

Ende der 1990er Jahre führte die SPD-geführte Regierung in Schleswig-Holstein die Direktwahl für Bürgermeister und Landräte ein. Norbert Gansel, der Kiel seit 1972 im Bundestag vertrat, wurde Kandidat der SPD für das Amt des Oberbürgermeisters. Im ersten Wahlgang wählten ihn die Kielerinnen und Kieler mit 61% der Stimmen. In seine Amtszeit fiel unter anderem die Entwicklung der Hörn. Der Teilverkauf der Stadtwerke Kiel und der Verkauf der Kieler Wohnungsbaugesellschaft dienten der Sanierung des städtischen Haushalts. Zudem verbesserte Norbert Gansel nachhaltig das Verhältnis der Stadt zur Bundeswehr und zur Universität. Mit der Olympiabewerbung für 2012 polierte er Kiels Image als internationale Segelstadt weiter auf.[11]

Cathy Kietzer, 2007

Die Wahlrechtsreform machte es auch möglich, dass die gebürtige Dänin Cathy Kietzer für die Ratsversammlung kandidieren konnte und dann von 1998 bis 2003 und von 2008 bis 2013 sogar zur Stadtpräsidentin gewählt wurde.

Parteijubiläum

Zum 150jährigen Bestehen der SPD im Jahr 2013 gab es von Gruppierungen und Personen aus dem Kreisverband eine Reihe von Aktionen, zum Teil verbunden mit dem Kommunalwahlkampf. Sie sind auffindbar unter Kreisverband Kiel - 150 Jahre SPD.

Literatur

  • Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  • Fischer, Rolf: "Der Bahn, der kühnen, folgen wir ...". Stephan Heinzel und der Aufstieg der Kieler SPD (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band I, 1863-1900)(Malente 2010) ISBN 3-933862-42-6
  • Fischer, Rolf: Mit uns die neue Zeit! Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2, 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4
  • SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): 1863-1978. 115 Jahre Sozialdemokratie. Festschrift der Kieler Sozialdemokraten (Kiel 1978)

Links

Quellen

  1. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959. Malente 1998, S. 33
  2. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), S. 37
  3. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): Sozialdemokratie, S. 21
  4. Gertrud Völcker: Erinnerungen - 50 Jahre Öffentlichkeitsarbeit, Bd. I (Unveröff. Typoskript, Kiel 1974), S. 47
  5. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): Sozialdemokratie, S. 21
  6. So Kreisvorsitzender Rolf Fischer 2005 in seiner Rede zur Mitgliederehrung und zur Erinnerung an die Wiedergründung der Partei 1945.
  7. Vgl. Rickers: Erinnerungen, S. 271
  8. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): 1863|1978. 115 Jahre Sozialdemokratie. Festschrift der Kieler Sozialdemokraten (Kiel 1978)
  9. Olympischer Schluck aus der Pulle, Kieler Nachrichten, 2.9.2012
  10. Trägerinnen und Träger der Andreas-Gayk-Medaille, abgerufen am 11.10.2015
  11. kiel.de Kiel gratuliert: Alt-Oberbürgermeister Norbert Gansel wird 75, 570/3. August 2015/ang

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