Landesverband

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Landesverband
Landesverband
Landesverband Schleswig-Holstein
Gegründet: 1891
Wiedergegründet: 1946
Vorsitzende/r: Ralf Stegner
Homepage: http://spd-sh.de
Beschlussdatenbank: http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/

Der SPD Landesverband Schleswig-Holstein ist eine Gliederung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Der Landesverband besteht aus 15 Kreisverbänden und ca. 380 Ortsvereinen. Den Landesverband Schleswig-Holstein der SPD gibt es erst seit 1959. Vorher lautete die Bezeichnung Bezirksverband, und als solcher wurde er 1946 wiedergegründet.

"Schleswig-Holstein ist der Stolz der Gesamtpartei." - Hans Vogel[1]

Kaiserreich

Bereits nach der gescheiterten Märzrevolution 1848/1849 begannen Handwerker und Arbeiter sich zu organisieren. Stephan Born gründet die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung. Allerdings hat die Industrialisierung Deutschland noch nicht wirklich erreicht und es gibt noch keine größere Arbeiterschaft.

Gründung

Die Sozialdemokratie breitete sich mit der Arbeiterbewegung langsam aus und kam dann aus Hamburg nach Schleswig-Holstein:

Theodor Yorck

"Am Gründungskongreß des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) am 23. 5. 1863, dem Ausgangspunkt der organisierten Sozialdemokratie in Deutschland, nahmen drei Delegierte aus Hamburg teil - Dort hatte sich bereits 1862 ein Arbeiterkommittee gegründet. Die Hamburger Gemeinde des ADAV brachte lassalleanische Ideen nach Schleswig-Holstein. Der Hamburger Parteiorganisator Theodor Yorck und der Redakteur des Nord-Stern Karl von Bruhn waren zum Beispiel die führenden Köpfe der Agitation im Kreis Pinneberg[2]. Und bis 1905 stellten Hamburg und Schleswig-Holstein einen gemeinsamen Agitationsbezirk der Sozialdemokratie dar […]", schreibt Uwe Danker in Demokratische Geschichte[3].


Der damalige SPD-Bezirksvorsitzende von Schleswig-Holstein Willy Verdieck berichtet in seinem Grußwort zum SPD-Parteitag 1927 in Kiel, dass bereits in den 1860er Jahren in Schleswig-Holstein in vielen Orten Ableger des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" gegründet wurden. Er zählt dort Altona und Wandsbek auf, die damals noch nicht Teil von Hamburg waren, Krempe, Itzehoe, Pinneberg, Kiel, Elmshorn, Neumünster, Flensburg, Eutin, Rendsburg, Plön und Glückstadt auf. Und auch die Anhänger der anderen Wurzel der SPD, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, gründeten einige Vereine - allerdings viel weniger. 1875 vereinigten sich beide Richtungen zur SPD.[4].

Sozialistengesetz

Hauptartikel: Sozialistengesetz

Hausdurchsuchung im Rahmen des Sozialistengesetzes, um 1879

War die Arbeit der Sozialisten vorher schon nicht besonders gerne gesehen durch Bürgertum und Obrigkeit, wurde sie zwischen 1878 und 1890 komplett verboten. Das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie zerstörte die mühsam aufgebaute Parteiorganisation. Sozialdemokraten wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt oder ins Exil gezwungen.

Selbst diese Unterdrückung konnte nichts ändern an der Attraktivität der Idee der Sozialdemokratie. Als das Gesetz im September 1890 endlich offiziell aufgehoben wurde, war in der Partei der Boden für eine Periode des politischen Machtzuwachses bereitet. In Halle gab sie sich ein neues Organisationsstatut, und sie nahm ihren endgültigen Namen an: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD).

Wilhelminismus

Luise Zietz

Aber auch nach 1890 wurden Sozialdemokraten und Gewerkschafter weiter behindert und schikaniert. Die rechtliche Ausgrenzung wurde aufgehoben, die gesellschaftliche Ausgrenzung blieb jedoch noch eine lange Zeit - mit nachhaltiger Auswirkung auf ihr Verhältnis zum Staat. In dieser Zeit breitete sich die sozialdemokratische Arbeiterkultur aus: Sozialdemokratische Zeitungen wurden gegründet. Arbeiter durften in den bürgerlichen Vereinen keine Mitglieder werden. Deshalb gründeten sie Arbeitersportvereine, Arbeiterkultureinrichtungen die Freie Volksbühne Kiel oder etwas später der Kieler Chor-Verein. Frauen durften sich überhaupt nicht organisieren. Mutige Schleswig-Holsteinerinnen wie Alma Wartenberg oder Luise Zietz taten es trotzdem - Luise Zietz wurde 1908 die erste Frau im SPD-Parteivorstand. Alma Wartenberg ist später die einzige Frau im schleswig-holsteinischen Provinziallandtag.

Das "Verbindungsverbot" untersagte bis 1899 die Gründung überregionaler politischer Zusammenschlüsse. Die SPD setzte auf eine Doppelstrategie: Auf lokaler Ebene waren politische Vereine erlaubt. Hier gründeten sich nach 1890 vermehrt SPD-Ortsvereine. Überregional wurden sie durch die Abgeordneten und Vertrauenspersonen zusammengehalten[5]. So gab es bis 1891 keinen landesweiten organisatorischen Zusammenschluss der Sozialdemokraten. Ein Provinzial-Parteitag wählte 1891 dann eine dreiköpfige Agitationskommission mit Heinrich Lienau als 1. Vorsitzenden - die erste landesweite sozialdemokratische Organisation in Schleswig-Holstein. Mehr war bis zur Aufhebung des Verbindungsverbots nicht möglich.

1905/06 wurde die SPD in Schleswig-Holstein neu organisiert: Es gab auf der lokalen Ebene die Ortsvereine. In der nächsten Ebene gab es die Wahlkreisvereine in den zehn schleswig-holsteinischen Reichstagswahlkreisen (damals noch ohne Lübeck). Darüber hinaus wurde der SPD-Bezirksverband Schleswig-Holstein gegründet. Zu seinem Vorsitzenden wurde 1906 Friedrich Bartels gewählt.[6] Gleichzeitig trennten sich die Organisationen aus Hamburg und Schleswig-Holstein. Ab 1912/13 nannte sich die Agitationskommission "Bezirksvorstand".

Die Zeit des Wilhelminismus war gesellschaftlich auch durch die Rüstungs- und Flottenpolitik des Kaisers Wilhelm II geprägt. Die Sozialdemokratie setzte sich dagegen für eine Friedenspolitik ein.[7]

Der Erste Weltkrieg

In den Tagen nach der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg 1914 hält die SPD Schleswig-Holstein einen Bezirksparteitag ab. Die Entschließungen des Tages zeigen den Weitblick der Delegierten:

"Die Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit der deutschen Gesamtpartei und den anderen Parteien in Europa ihr Bestes getan, um den drohenden Weltkrieg zu verhindern und eine friedliche politische Entwicklung der Völker zu Wohlfahrt und Freiheit zu sichern. Wir stellen fest, daß unsere Partei keine Schuld an dem Verderben trifft, das da über die Welt ziehen will; die Verhältnisse dieser kapitalistischen Zeit und deren Konsequenzen waren stärker als die Arbeit unserer Millionen und der Friedenswille mancher Regierenden."[8]

Doch als zwei Tage später die Reichstagsfraktion den nötigen Kriegskrediten zustimmt, steht der Bezirk zunächst an ihrer Seite. Erst nach und nach bricht hier, wie überall im Reich der "Burgfrieden". Ab dem Jahr 1916 wächst die innerparteiliche Kritik. Und so kommt es im März 1917 zu Spaltung in Mehrheits SPD (MSPD) und Unabhängige SPD (USPD). Hochburgen der USPD im damaligen Schleswig-Holstein wurden Kiel, Bordesholm, Altona, Flensburg, Schleswig und Eckernförde.[9]

Weimarer Republik

Matrosen- und Arbeiteraufstand von Kiel 1918

Mit der Verschlechterung der Versorgungslage und dem immer sinnloser werdenden Sterben an der Front wuchs der Widerstand in der Bevölkerung. Ab Januar 1918 kam es vermehrt zu Streiks. Im November 1918 kommt es zum Matrosen- und Arbeiteraufstand von Kiel - Unterstützt von Gewerkschaften, SPD und USPD wurde daraus die Novemberrevolution und das Ende von Krieg und Kaiserreich.

Schwarz-Rot-Gold

1918 lag der Bezirksvorsitz bei Heinrich Kürbis - der 1919 zum Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein ernannt wurde - und von 1921 bis 1933 bei Willy Verdieck. "Die schleswig-holsteinische SPD zeichnete sich [während der Weimarer Republik] nicht nur durch vergleichsweise gute Wahlergebnisse aus, sondern auch durch eine hohe personelle Kontinuität bei [...] der Bezirksorganisationsspitze."[10]

Reichspräsident Friedrich Ebert sagte in einer Ansprache vor Sozialdemokraten 1922 in Kiel:

"Es war nicht nur meine Auffassung, sondern auch die der gesamten Parteileitung, insbesondere unserer Alten, Bebel, Singer, daß die Parteibewegung in Schleswig-Holstein eine der besten deutschen Bezirke ist, nicht nur ihrem Umfang und ihrer straffen, in sich gefestigten Organisation nach, sondern auch nach der ganzen geistigen Einstellung der Parteibewegung in Schleswig-Holstein. Es ist hier theoretisch und praktisch immer eine sehr intensive Schulung der Parteigenossen erfolgt und damit sehr früh den staatspoltischen Notwendigkeiten bei der hiersigen Parteigenossenschaft der Weg bereitet worden ... So war es möglich, daß in all den Stürmen ... die Parteiorganisation imm in sich geschlossen und gefestigt blieb und daß sie eine Reihe von Leuten hervor gebracht hat, die auch unseren Pflichten und Aufgaben im staatlichen Leben gerecht zu werden verstanden."[11]

1922 vereinigten sich die USPD wieder mit der SPD.

Fahne des Reichsbanners Kiel-Hassee

Als Reaktion auf die zahlreichen politischen Morde, Putsch- und Aufstandsversuche in den Anfangsjahren der Weimarer Republik wurde 1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegründet. Überall formieren sich Ortsgruppen, vorwiegend aus Sozialdemokraten, die auch notfalls mit Gewalt die Demokratie schützen wollen.

Nationalsozialismus

Hauptartikel: Widerstand

Stolperstein für Wilhelm Spiegel - einem der ersten sozialdemokratischen Opfer der Nazis in Kiel

1933 wurde die SPD von den Nationalsozialisten verboten. Vielerorts wurden Parteifahnen und Unterlagen vergraben oder wie zum Beispiel beim Ortsverein Schleswig eingemauert, um sie später wieder hervorzuholen und dort weitermachen zu können, wo man aufgehört hat.

Einige SPD-Mitglieder aus Schleswig-Holstein flohen ins Exil - das bekannteste Beispiel dafür dürfte der gebürtige Lübecker und späterer Bundeskanzler Willy Brandt sein. Andere, wie zum Beispiel der spätere Landesvorsitzende Andreas Gayk oder der spätere Chefredakteur der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung zogen nach Berlin, um in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen. Auch Widerstand organisierten Sozialdemokraten in dieser Zeit. Die Schleswig-Holsteiner versuchten zum Beispiel immer wieder den Kontakt zu den Exilanten in Skandinavien zu halten. Der Lübecker Julius Leber ist wohl das berühmteste Beispiel eines schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten im Widerstand. Bei seiner Aburteilung vor dem Volksgerichtshofs sagte er:

"Für eine so gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis. Wir haben getan, was in unserer Macht stand."

Andere blieben in ihrer Heimat und versuchten, unter der Gewaltherrschaft zu überleben. Einige haben es nicht geschafft - sie wurden von den Nazis umgebracht. Eine ganze Reihe bekannter Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wurden nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler 1944 in der "Aktion Gitter" verhaftet und in Konzentrationslager gebracht.

Wer zum Krieg eingezogen wurde und ihn überlebt hat, kam danach oft in Gefangenschaft. Erst nach ihrer Freilassung konnten Menschen wie Walter Damm die SPD in Schleswig-Holstein wieder aufbauen.

Wiederaufbau + Regierungszeit

Hauptartikel: Wiedergründung der SPD Schleswig-Holstein

Hermann Lüdemann

In den letzte Wochen des Kriegs begannen frühere SPD-Mitglieder vorsichtig wieder mit dem Aufbau der SPD. Gemeinsam mit Kommunisten und Gewerkschaftern bildeten sie Antifaschistische Ausschüsse. In Kiel und Lübeck trafen sich die alten Genossinnen und Genossen in Stubenzirkeln. In den Diskussionen dort ging es darum, ob es möglich sei, gemeinsam mit den Kommunisten eine sozialistische Einheitspartei zu gründen oder ob man weiterhin getrennter Wege ginge.

Nach Ende des Krieges 1945 wurde nach und nach wieder Ortvereine und Kreisverbände gegründet. Auf Initiative von Kieler Sozialdemokraten wurde ab August 1945 ein vorläufiger Bezirksvorstand gebildet, der den Wiederaufbau der Parteiorganisation koordinieren sollte. Zum Vorsitzenden wurde Theodor Werner gewählt. Wilhelm Kuklinski und Karl Ratz wurden seine Stellvertreter.[12] Auf dem Bezirksparteitag am 1. und 2. Februar 1946 in Neumünster wurde der SPD-Bezirksverband Schleswig-Holstein neu gegründet.[13]

"An Besonderheiten, die sich auf die Partei auswirkten […], war Schleswig-Holstein nicht arm. Das in der britischen Besatzungszone gelegene Land war im westdeutschen Vergleich am stärksten vom Strom der Flüchtlinge und Vertriebenen betroffen. In Südschleswig kam es zu Ablösungsbestrebungen, über deren Beurteilung sich die Sozialdemokratie in der Grenzregion spaltete. In Schleswig-Holstein gab es die erste sozialdemokratische Alleinregierung auf Landesebene nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Ministerpräsidenten waren Hermann Lüdemann und Bruno Diekmann. Die schleswig-holsteinische SPD-Bezirksorganisation lag beim Vergleich der westdeutschen SPD-Bezirke nach Mitgliedern zeitweilig an zweiter Stelle. Abgesehen von Berlin war Schleswig-Holstein das einzige Land, dessen territoriale Ausdehnung identisch war mit den Grenzen des gleichnamigen SPD-Bezirks."[14]

Die Diskussion flammte erneut in der SPD darüber auf, welche Landesteile zu Dänemark und welche zu Deutschland gehören sollten. Die Flensburger SPD wurde sogar für ein paar Jahre aus der SPD ausgeschlossen, weil sie sich für den Anschluss an Dänemark stark machte. Dagegen setzte sich die Regierung Lüdemann für einen starken Minderheitenschutz ein. Die Kieler Erklärung von 1949 besagte, dass das Bekenntnis zur dänischen Gesinnung frei sei und weder angezweifelt noch überprüft werden dürfe. Sowohl Dänen als auch Friesen sollten alle Bürgerrechte haben. Dieser Standpunkt wurde 1955 in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen noch einmal bestätigt.

Die Hauptaufgabe aber der ersten Landesregierung war der Wiederaufbau des Landes: An erster Stelle stand dabei die Unterbringung der Menschen - Schleswig-Holstein war voller Flüchtlinge. Dazu kam, das die Ernährung gesichert und ein demokratisches Staatswesen aufgebaut werden musste. Was die Regierung von Hermann Lüdemann und Bruno Diekmann geleistet haben und was sie sich noch vorgenommen hatten, lässt sich im Schleswig-Holsteinisches Manifest nachlesen - dem Wahlprogramm für die Landtagswahl 1950.

38 Jahre Opposition

Walter Damm Haus, 1965

In der Landtagswahl 1950 verliert die SPD ihre Mehrheit. Für die nächsten 38 Jahre regieren CDU-geführte Regierungen in Schleswig-Holstein. Die SPD muss sich auf die Arbeit der Opposition einstellen.

Die SPD stemmte sich gegen das Ende Entnazifizierung in Schleswig-Holstein. Im März 1951 verabschiedete die Koalition aus CDU, FDP und Deutscher Partei (DP) und dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) das "Gesetz zur Beendigung der Entnazifizierung". In der konfliktreichen Debatte stellte Oppositionsführer Wilhelm Käber (SPD) sarkastisch fest:

"Schleswig-Holstein stellt fest, dass es in Deutschland nie einen Nationalsozialismus gegeben hat. Die von 1933 bis 1945 begangenen Untaten gegen Leben und Freiheit von Millionen von Menschen sind eine böswillige Erfindung."[15]

Bis zu seinem Tod 1954 wird die SPD in Schleswig-Holstein stark von Andreas Gayk geprägt. In Personalunion ist er Landes- und Fraktionsvorsitzender, Oberbürgermeister von Kiel, Ratsherr in Kiel und Mitglied im Parteivorstand der SPD - manchen galt er als natürlicher Nachfolger von Kurt Schumacher.

Dreimal tritt die SPD Schleswig-Holstein in den 1950er und frühen 1960er Jahren mit dem Spitzenkandidaten Wilhelm Käber an. In dieser Zeit ist Walter Damm Landesvorsitzender. In seiner Zeit bekommt der Landesverband wieder ein eigenes Zuhause: Das heutige Walter-Damm-Haus in Kiel.

"Links, Dickschädelig und Frei"

Bundesparteitag der SPD in Hannover, 1973

Mitte der 1960er Jahre findet in der SPD Schleswig-Holstein ein Generationenwechsel statt: Auf den Landesvorsitzenden Walter Damm und den Fraktionsvorsitzenden Wilhelm Käber folgt Jochen Steffen. Der ist damals erst Anfang 40 und ist heute eine kleine Legende der Landespartei. Zu seinem Mythos hat wohl beigetragen, dass er seinem Landesverband zu seinem noch heute wirkenden Profil verholfen hat: "Links, Dickschädelig und Frei"

Unter Jochen Steffen schiebt die SPD Schleswig-Holstein zum Beispiel mit der Eutiner Erklärung 1966 die Diskussionen um die Deutschlandpolitik und die Friedenspolitik in der SPD an. Gleichzeitig verliert die SPD in Schleswig-Holstein 1968 mit der Pleite der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung seine publizistische Stimme.

Die Zeit ist geprägt von einer harten Auseinandersetzung mit der CDU und den konservativen Medien. Im Wahlkampf 1971 steht Jochen Steffen unter medialem Dauerbeschuss. Eine Belastung, von der er sich nie wieder richtig erholt.

Anti-Atombewegung

Hauptartikel: Energiewende In dieser Zeit beginnt in der SPD Schleswig-Holstein auch die Diskussion über Alternativen zur Atomkraft. 1975 übernimmt Günther Jansen den Landesvorsitz. Er ist strikter Gegner der Atomkraft und setzt sich für diese Überzeugung auch persönlich auf den großen Demonstrationen in Brokdorf ein. Über 12 Jahre bleibt er Landesvorsitzender. Zu seinem 75. Geburtstag macht ihn die SPD-Schleswig-Holstein zum Ehrenvorsitzenden.

Bei der Landtagswahl 1983 tritt die SPD Schleswig-Holstein das erste Mal mit dem nur 43 Jahre alten Spitzenkandidaten Björn Engholm an. Der war bis dahin Bundestagsabgeordneter für Lübeck. Nach der verlorenen Wahl wechselt er als Oppositionsführer in den Kieler Landtag. Nach der Barschel-Affäre gelingt es der SPD in der Landtagswahl 1988 die Mehrheit zu holen - Björn Engholm wurde Ministerpräsident. Nach 38 harten Jahren endet die Oppositionszeit.

1988 und Engholm

Björn Engholm 1989

Die SPD Schleswig-Holstein ist euphorisch und voller Pläne - hatte die CDU doch vorher jahrzehntelang das Land wie ihr Eigentum verteilt und im Stillstand verharren lassen.

Demokratie

Vor allem musste mit dem System-Barschel aufgeräumt werden. Um frischen Wind die den schleswig-holsteinischen Parlamentarismus zu bringen, setzte der Landtag eine Enquete-Kommission für die Verfassungs- und Parlamentsreform. Die Bannmeile um das Landeshaus wurde aufgehoben und der Landtag für die Bürgerinnen und Bürger geöffnet. Die Opposition bekam wesentlich mehr Rechte und schließlich löste die Regierung die Landessatzung aus den 1940er-Jahren mit einer ordentlich Landesverfassung ab.

Gleichstellung

Eine Frauenbeauftrage hatte es unter der CDU-Regierung nicht gegeben. Die SPD Schleswig-Holstein hatte sich mit dem SPD-Frauenbüro Schleswig-Holstein beholfen. Ministerpräsident Björn Engholm quotiert sein Kabinett. Vier Ministerien werden von Frauen geführt - das ist damals bundesweit einmalig. Neu ist auch das Frauenministerium von Gisela Böhrk.[16]

Umweltschutz und Energiewende

Neu und fortschrittlich ist auch die Umwelt- und Energiepolitik der neuen Regierung. Das Umweltministerium besetzt Björn Engholm mit dem renomierten Biologieprofessor Berndt Heydemann. Er betreibt sein Ressort mit Leidenschaft und Fantasie. Bis heute hat er Maßstäbe gesetzt. Derweil treibt der bekennende Atomkraft-Gegner Günther Jansen als Energieminister die Energiewende voran. Er formulierte 1992 das Ziel des Landes, bis zum Jahr 2010 20 Prozent des Eigenbedarfes aus dem Wind zu gewinnen - Diese Quote wurde bereits im September 2001 erreicht. 1992 ernteten die SPD nur Spott und ein müdes Lächeln der Energiekonzerne für dieses Ziel.

Bildung

Das Bildungssystem in Schleswig-Holstein war im Prinzip seit Gründung des Landes unverändert. Die erste CDU-geführte Landesregierung hatte sogar die sechsjährige Grundschule wieder auf vier Jahre verkürzt. Für die SPD war seit jeher eine Schule wichtig, die für alle Chancen bietet. Nur gegen ein paar experimentelle Gesamtschulen in den 1970er-Jahren hatte sich die CDU nicht wehren können. Doch langsam konnte die Modernisierung des Schulssystems beginnen.

Regierung Simonis

Heide Simonis, 2009

Im zweiten Untersuchungssausschuss zur Barschel-Affäre musste Ministerpräsident Björn Engholm einräumen, von der Bespitzelung durch den Medienberater Reiner Pfeiffer gewusst zu haben. Wegen seiner Falschaussage trat Björn Engholm am 3. Mai 1993 von allen Ämtern zurück. Heide Simonis wurde als seine Nachfolgerin Deutschlands erste und lange Zeit einzige weibliche Ministerpräsidentin.

Bei der Landtagswahl 1996 verlor die SPD ihre absolute Mehrheit und musst zum ersten Mal die Regierungsmacht mit den Grünen im Land teilen. In dieser Koalition regierte Heide Simonis bis 2005.

Nach der Landtagswahl 2005 verfügte die Koalition nur noch unter Tolerierung durch den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) über eine Mehrheit von einer Stimme. Heide Simonis' Wiederwahl galt jedoch als sicher; Probeabstimmungen hatten zu keinen Abweichungen geführt. In allen vier Wahlgängen, denen Simonis sich am 17. März 2005 stellte, erhielt sie jedoch eine Stimme weniger, als sie hätte erhalten müssen, und wurde nicht zur Ministerpräsidentin wiedergewählt. Wer der "Heidemörder" war, ist bis heute unbekannt.

Die SPD begab sich in Koalitionsverhandlungen mit der CDU und ging in die Große Koalition unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen.

Große Koalition

Von Anfang an kriselte es immer wieder in der Großen Koalition, vor allem zwischen Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und Innenminister Ralf Stegner[17]. 2007 fand ein Krisentreffen statt. Ralf Stegner kündigte seinen Rücktritt und den Wechsel in das Amt des Fraktionsvorsitzenden an. Die bisherige Fraktionschef Lothar Hay sollte an seiner Stelle Innenminister werden. Damit sicherte Ralf Stegner vorerst den Fortbestand der Koalition. Außerdem hatte ihn die SPD Schleswig-Holstein auf dem Landesparteitag im März 2007 zum Landesvorsitzenden gewählt.

Ralf Stegner wird Spitzenkandidat der SPD nach dem Koalitionsbruch

Im Juli 2009 gab Ministerpräsident Carstensen bekannt, die Koalition mit der SPD nicht mehr fortführen zu wollen und entließ die SPD-Ministerinnen und -Minister. Neuwahlen setzte Peter Harry Carstensen zusammen mit der mit der Bundestagswahl 2009 an. Die Ausgangslage für die SPD war denkbar schlecht: In Land und Bund lag sie weit hinter der CDU.

Schulreform

Allerdings brachte die Große Koalition in der kurzen Wahlperiode ein Schulgesetz auf den Weg, das in dieser Form gegen die CDU niemals hätte umgesetzt werden können. Als eine der Leistungen der Großen Koalition ist die flächendeckende Durchsetzung von Regional- und Gemeinschaftsschule durch Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave zu nennen. Damit waren die Tage des dreigliedrigen Schulsystems, das noch aus der Weimarer Republik stammte, gezählt: Haupt- und Realschule wurden zur Regionalschule zusammengelegt. Mit einer gymnasialen Oberstufe konnte diese zur Gemeinschaftsschule werden: Eine Schule für alle!

Opposition

Torsten Albig, Mathias Stein, Brigitte Fronzek und Ralf Stegner beim Mitgliederentscheid

Der schlechte Bundestrend der SPD wirkte sich auch auf die Landtagswahl 2009 aus: Die SPD verlor 13,3%-Punkte und landete bei 25,4%. CDU und FDP übernahm die Regierung unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU).

Doch auch diese Wahlperiode sollte vorzeitig enden: 2010 stellte das Landesverfassungsgericht fest, dass das Wahlgesetz wegen des unzureichenden Ausgleich der Überhangmandate gegen die Landesverfassung verstoße. Das Gericht ordnete Neuwahlen bis September 2012 an[18]. Kurz vor dem Landesparteitag in Kiel verkündete Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig seine Kandidatur für die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2012[19].

Der Landesvorstand hatte nach der verlorenen Landtagswahl 2009 in Regionalkonferenzen Fehler analysiert und Konsequenzen gezogen: Eine der immer wieder gestellten Forderungen der SPD-Mitglieder war mehr Beteiligung. So schlug der Landesvorsitzende Ralf Stegner einen Mitgliederentscheid über die Spitzenkandidatur vor - er selbst wollte auch wieder kandidieren. Die Mitglieder entschieden sich deutlich für Torsten Albig.

Auch das Regierungsprogramm entstand in einem offenen Verfahren: Im "Demokratiesommer" konnten nicht nur SPD-Mitglieder ihre Ideen einbringen.

Küstenkoalition

Wara Wende und Torsten Albig

Obwohl die SPD bei der Landtagswahl 2012 knapp hinter dem Ergebnis der CDU lag, konnte Torsten Albig gemeinsam mit den Grünen und dem SSW eine Dreierkoalition bilden. Zum ersten Mal beteiligte sich die Partei der dänischen Minderheit an einer Regierung. Ein bundesweit einmaliges Ereignis, das so nur in Schleswig-Holstein möglich ist, weswegen die Koalition landläufig "Küstenkoalition" genannt wird.

Torsten Albigs Regierung setzt vor allem auf Dialog und Bügerbeteiligung: Im Bildungsdialog diskutiert Bildungsministerin Wara Wende mit Eltern, Lehrern und Schülern über ein starkes Bildungssystem für die Zukunft. Im Kulturdialog von Kulturministerin Anke Spoorendonk (SSW) entsteht das Kulturkonzept der Regierung. Sozialministeriun Kristin Alheit führte einen Sozialdialog durch. Die Fraktion präsentiert ihre Halbzeitbilanz "Versprochen. Gehalten!" in einer Reihe Regionaldialoge im ganzen Land. Immer dabei ist ein SPD-Minister oder eine SPD-Ministerin, der Fraktionsvoritzende Ralf Stegner und eine Gruppe Landtagsabgeordneter, die im "World Café"-Format mit Bürgerinnen und Bürger darüber diskutieren, was noch zu tun ist.

Gliederung und Organe

Landesvorstand

Hauptartikel: Landesvorstand Der Landesvorstand leitet den Landesverband und ist für die Durchführung der Beschlüsse des Landesparteitages verantwortlich. Der oder die von ihm Beauftragten können Berichte der nachgeordneten Organisationsgliederungen anfordern. Sie haben das Recht, an allen Zusammenkünften der nachgeordneten Organe beratend teilzunehmen und bei Differenzen, die die zuständigen Organe handlungsunfähig machen, eine Entscheidung herbeizuführen.

Der Landesvorstand wird alle zwei Jahre auf einem ordentlichen Landesparteitag gewählt.

Ehrenvorsitzender

Günther Jansen, Ehrenvorsitzender

Arbeitsgemeinschaften

Hauptartikel: Arbeitsgemeinschaft

Arbeitskreise / Foren / Beiräte

Hauptartikel: Arbeitskreis


Vereine

Vereine, die der SPD Schleswig-Holstein nahe stehen oder standen:

Mitglieder

Jahr Zahl Quelle
1875 3293
1902 12211 [20]
1905 17744 [20]
1908 30381 [20]
1911 44527 [20]
1914 55037 [20]
1920 86287 MSPD
1920 20000 USPD[21]
1926 43795
Anfang 1930er 55000
1946 35000 [22]
1947 90415 Jahrbuch der SPD 1947
1979 40000 Politik und Organisation 1979-1981
1983 38507 Politik und Organisation 1981-1983
1987 37325 Politik und Organisation 1985-1987
1997 31121 Rechenschaftsbericht 1997-1999
1998 30337 Rechenschaftsbericht 1997-1999
1999 30430 Rechenschaftsbericht 1997-1999
2000 28471 Rechenschaftsbericht 1999-2001
2005 23357 Rechenschaftsbericht 2003-2005
2006 21787 Rechenschaftsbericht 2006-2007
2015 17733 Rechenschaftsbericht 2013-2015

Literatur

Hauptartikel: Literatur zur Geschichte der Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein Nur wenig Literatur beschäftigt sich mit der Geschichte des Landesverbands als ganzem:

  • Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 bis 1959, Band I/II. Malente 1998
  • Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963])

Videos

Sigmar Gabriel, 2013

150 Jahre wurde die SPD im Jahr 2013. Mit einem Festakt im Legienhof, Kiel am 7. März 2013 hat der Landesverband Schleswig-Holstein dieses Jubiläum gefeiert. Zu Gast war der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel. In seiner Rede ging er auf den Einfluss Schleswig-Holsteins auf die Sozialdemokratie in Deutschland ein.

Links

Quellen

<references>

  1. Jacobsen, Jens-Christian (1988) "'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933" in: Demokratische Geschichte, Band 3, Seite 211
  2. SPD-Ortsverein Elmshorn: 100 Jahre SPD-Ortsverein Elmshorn (Elmshorn 1963)
  3. Danker, Uwe "Die Geburt der Doppelstrategie in der "Roten Hochburg" Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein 1863-1918" In: Demokratische Geschichte, Band 3
  4. "Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927", o.O.u.J
  5. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959. Malente 1998, S. 24
  6. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959. Malente 1998, S. 24
  7. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983) Seite I-71
  8. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963])
  9. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963])
  10. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959. Malente 1998, S. 25
  11. zitiert nach: Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963])
  12. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959. Malente 1998, S. 57 ff.
  13. Ulrich Schilf / Rolf Schulte / Jürgen Weber / Uta Wilke: "Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg" In: Demokratische Gesichte 03/1988
  14. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959. Malente 1998, Band I, S. 18
  15. Christen, Ulf: Entnazifizierung im Landtag Schleswig-Holsteins, in: Demokratische Geschichte, Bd 6(1991)
  16. DIE ZEIT Engholms Viererbande, 20.5.1988
  17. Affären, Kräche – und ein Schlussstrich, DIE ZEIT, 16.7.2009
  18. faz.de "Gericht ordnet Neuwahlen bis 2012 an", 30.08.2010, 15:38 Uhr
  19. shz.de "Torsten Albig will Ministerpräsident werden", 6. September 2010
  20. 20,0 20,1 20,2 20,3 20,4 Danker, Uwe: Die Geburt der Doppelstrategie in der "Roten Hochburg". Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein 1863-1918, in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 21-62
  21. Rolf Schulte / Jürgen Weber: Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) in Schleswig-Holstein in: Demokratische Geschichte, Band 3 (1988)
  22. Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg, in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 537-558